©Alvarenga Productions
Herbst im Mischwald, ein Vater hütet mit seinem kleinen Sohn die Schafe und bringt ihm liebevoll das Schnitzen bei. Mit zeitlos ruhigen, sonnigen Szenen, in denen sich die Einheit von Mensch und Natur spiegelt, beginnt der Vorspann. Umso unfassbarer wirkt der Tod des Sohnes. Nach einem Zeitsprung in das Jahr 1932 werden vier junge Leute in dem Dorf getötet. Die Angst greift um sich. Ein tollwütiger Wolf kann es nicht gewesen sein, der tötet anders. Ein Schuldiger muss her, entscheidet der Gemeinderat. Es trifft den zugewanderten Bauern aus dem Vorspann, dessen Sohn aus ungeklärten Gründen verstarb, darüber nicht hinweg kommt und mit seiner erwachsenen Tochter am Dorfrand lebt. Er weist alle Schuld von sich, doch gegen die toll gewordene Dorfgemeinschaft kommt er nicht an. Der Pfarrer bringt die Hexerei und den Hexenhammer ins Spiel. Wer seine Schuld nicht bekennt, darf gefoltert werden, bis er gesteht. Dann wird er qualvoll getötet, um Erlösung im Himmel zu finden.
Alvarenga macht aus diesem Stoff weder ein mittelalterliches Mitleidsdrama noch einen Kriminalfall, sondern ein vielschichtiges, knallhartes Porträt einer bigotten Gesellschaft, in der die Männer das Sagen haben, die Frauen sich fürchten und die wenigen Mutigen nichts bewirken können, sehr authentisch von DarstellerInnen umgesetzt.
Raffiniert kontrastiert Alvarenga das reale Geschehen zwischen Wirtshaus und Gemeinderat mit halluzinogenen Szenen, in denen die Menschen, die ihre Authentizität bewahren, durch die Begegnungen mit dem Wolf das Einsein ihrer eigenen Natur erleben, während die Dorfgemeinschaft wie von einem Virus infiziert jegliche Humanität verliert und eine lebenszerstörende Kollektivschuld mitverantwortet.
©Alvarenga Productions
Nur ganz kurz fokussiert die Kamera auf die Gräueltaten, umso mehr provozieren sie die Phantasie. Harte Schnitte verrätseln das Geschehen und konfrontieren den Zuschauer durch ständig wechselnde Perspektiven zwischen objektiven Fakten und subjektiven Beschuldigungen. Das schaurige Ende lässt ihn betäubt zurück ob der irrationalen Grausamkeiten, die sich durch Angst und dogmatischen Radikalismus ergeben, die die düsteren Zeiten des Nationalsozialismus vorwegnehmen und den Film so heutig erscheinen lassen. Selbst der Nachspann in einem Klassenzimmer, als positive Facette gedacht, dass sich menschliches Verhalten durch das Wissen inhumaner Systeme in der Vergangenheit verbessert, irritiert durch die dunkle Farbstimmung mehr als dass er den Glauben an Veränderungen vermittelt. Der Film gibt keine Antworten. Die muss der Zuschauer selbst suchen.
Daniel Alvarenga wurde 1986 in Berlin geboren, lebt aber seit der Kindheit in Bayern. Von der Fotografie kam er zum Film. Er ist Autor, Regisseur und Produzent. 2008 gründete er als „Independent Filmmaker“ die „Alvarenga Productions“. Bekannt wurde der durch seine Kurzfilme. 2019 präsentierte er seinen ersten langen Kinofilm „Wer Frieden sucht“, der wegen Corona und der damit verbundenen Kinoschließungen kaum zu sehen ist. Jetzt folgt „Hundswut“.
Künstlerisches Team: Daniel Alvarenga (Drehbuch, Regie, Schnitt), Benjamin Strobel (Chef-Kameramann)
Mit: Markus Brandl, Christine Neubauer, Christian Tramitz, Heio Von Stetten, Sepp Schauer, Max Schmidt, Christian Swoboda, Sophie Röhrmoser u. a.