©C.H. Beck Verlag, 2023

In 15 Kapiteln verfolgt Michael Thumann schwerpunktartig Putins langjährige, zielstrebig anvisierte Strategie der Revanche. Seine Argumentation ist geprägt von seinen journalistischen und privaten Kontakten. Wie ein Puzzle entsteht daraus Schritt für Schritt der Wandel Putins, der sich nach außen als smarter Politiker gab und gleichzeitig im Landesinnern die sowjetischen Systeme der Strafverfolgung, Gehirnwäsche durch mediale Manipulation und Umsiedlungsprojekte durchsetzte.

Michael Thumann zeigt Putin in seiner Rolle als Stabilisator in den sozial-ökonomischen Chaosjahren nach der Wende, in der er offiziell vorgab gegen die Oligarchen und ihre Machenschaften vorzugehen, aber sie im Grunde nur von sich abhängig machte. Wer nicht spurte, kam in ein Gefangenenlager und wurde zu Putins Gunsten enteignet. Kritik wurde nur als Feigenblatt der Demokratisierung geduldet, solange Putins Macht über jeden Zweifel erhaben war. Hinter den Kulissen bestimmte Putin immer mehr über die politisch gelenkte Berichterstattung im Staatsfernsehen, wie das Volk zu denken hatte. Mit einem etwas besseres Lebensniveau, möglich durch die enormen Einnahmen durch den rapiden Anstieg für Energiepreise, verstand es Putin das Volk zufrieden zu stellen, während er den Westen immer stärker zum Feindbild moralischer Dekadenz stilisierte, womit er die Haltung vieler Russen bestätigte, dass ein gutes, sicheres Leben wichtiger ist als ein demokratisches. Durch außenpolitische Erfolge, das „Einsammeln der ehemaligen Sowjetprovinzen“ lenkte er von der zunehmenden regressiven Innenpolitik ab und avancierte zum Helden, der Russland seine Nationalität zurückgibt. Doch erst mit der „Spezialaktion Ukraine“ offerierte sich Putin, so Thumann, als „faschistischer Diktator“ mit genozidem Wortschatz, der sich über alle Abkommen und internationalen Regelungen hinwegsetzt.

Nach Thumanns Meinung schottet Putin Russland von der Welt ab, macht es von China abhängig. „Er nimmt den Russen die Zukunft“. Tschetschenien ist das Testgebiet. Dort wird ausprobiert, wie viel man dem russischen Volk an Überwachungsschikanen zumuten kann. Statt glorreich als Held aller Helden in die Geschichte Russlands einzugehen, so Putins selbsterklärtes Ziel, wird er zum diktatorischen Antihelden, der im Gegensatz zu seinen Vorbildern in der russischen Historie nichts als verbrannte Erde hinterlässt. 

Michael Thumann schreibt aus innerster Betroffenheit, reportagemäßig zwischen sachlicher Recherche und emotionalem Erleben. Es fehlt die chronologische Strukturierung, insbesondere eine kritische Betrachtung der USA. „Revanche“ liest sich zwar spannend, ist aber nicht immer überzeugend.

Thumann „Revanche, Wie Putin das bedrohlichste Regime der Welt geschaffen hat“, C. H. Beck Verlag, München 2023, 288 S.