©Gärtnerplatztheater, Jean-Marc Turmes
Die Story ist durchaus peppig. Inspiriert von William Hogarths acht moralisierenden Bildertafeln (1733-35) und bedeutungsschwangeren Namensgebungen ließ Igor Strawinsky von W. H. Auden in Kooperation mit Chester Kallman das Libretto unter Beibehaltung der Namen anfertigen.
Die Story hat Potential und gilt als englischer Faust. Tom Rakewell will lieber Popstar werden als arbeiten. Ein Fremder, Nick Shadow, kein geringerer als Mephisto, ebnet ihm den Weg, macht ihn über die Abwege von Sex und Alkohol zum Star. Von der Puffmutter Goose vernascht, der Türkenbaba geehelicht, vom Gerichtsvollzieher gepfändet bekommt Tom Rakewell von Shadow beim Kartenspiel eine letzte Chance. Die Gedanken an seine Jugendliebe Ann, die er immer noch liebt, lassen Rakewell die richtigen Karten ziehen. Doch durch Shadows Fluch verfällt er dem Wahnsinn, woraus ihn selbst Ann nicht mehr erlösen kann. Ihm macht das wenig aus. Er bildet sich Adonis zu sein und ist glücklich verliebt in Venus.
Dass die Oper trotzdem nicht funkt, liegt nicht an der Inszenierung. Adam Cooper präsentiert den Auf- und Abstieg Rakewells von der Countryidylle über den Marquee-Club in Soho bis in antike Wahnideen sexy exaltiert und kostümiert und durch flotte Tanzeinlagen und die witzig präzise Synchronie von Mephistos Assistentinnen parodistisch zelebriert.
©Gärtnerplatztheater, Jean-Marc Turmes
Doch die Partitur zählt nicht unbedingt zu den besten Werken Strawinskys. Man hört Mozart und Händel, aber mit weniger Qualität. Es enttäuscht die musikalische Präsentation und die Besetzung der Hauptrolle. Gyula Rabs Tenor fehlt das Starcharisma für diese Rolle. Er überzeugt erst, als es mit Rakewell abwärts geht.
Unter der Leitung von Rubén Dubrovsky, dem neuen Chefdirigenten ab der nächsten Spielzeit in Nachfolge von Anthony Bramall, kommt die Oper nur langsam in Fahrt. Der musikalische Drive in kleiner orchestraler Besetzung bleibt kammerspielartig zunächst sehr dezent, funktioniert zwar in den Rezitativen bestens, wirkt aber immer wieder zu unpräzise, um Strawinskys Harmonie von Sprache und Musik hörbar zu machen.
Mària Celeng als Ann Trulove lässt zwar große Oper aufleuchten, aber schauspielerisch wirkt sie in ihrer bewusst ausgestellten Naivität wenig überzeugend. Erst im Irrenhaus gewinnt sie die Aura einer Frau, deren Liebe alle Fesseln sprengt.
Welch temperamentvolles Potential die Oper auch sängerisch durchaus hat, merkt man an den Nebenrollen. Matija Meić als Nick Shadow trumpft mit seinem düster wuchtigen Bariton bei jedem seiner kurzen Soloauftritte auf. Anna Agathonos als Türkenbaba weiß durch ihr durchdringendes Timbre und großes Schauspieltalent diese schrill in Szene gesetzte Kunstfigur liebenswert umzusetzen. Umhüllt von Nebelschwaden werden in existentieller Reduktion im Duett der Liebenden innige Momente erlebbar. „The Rake´s Progress“ hinterlässt im Gärtnerplatztheater den Eindruck eines unterhaltsamen Spektakels und macht durchaus neugierig auf andere Versionen.
Künstlerisches Team: Rubén Dubrovsky, Adam Cooper (Regie und Choreographie), Walter Vogelweider (Bühne), Alfred Mayerhofer (Kostüme), Michaela Heidinger (Licht), Meike Ebert, Raphael Kurig (Video), Pietro Numico (Choreinstudierung), Christoph Wagner-Trenkwitz (Dramaturgie)