© Alamode Film 2022, Fredrik Wenzel
In „Triangle of Sadness“ geht es weniger um eine große Geschichte als um Beobachtung von Zuständen. Durch die ruhige, distanzierte Kameraführung wird der Zuschauer zum Voyeur einer Gesellschaft, dessen elitärer Anspruch wie eine Seifenblase zerplatzt..
In drei Kapiteln zeigt Ruben Östlund überaus pointiert, wie man superreich und umgekehrt von einem Augenblick auf den anderen alles hinwegfegt werden kann. Über ein Casting setzt er die Schönheit als eine wichtige Währung für ein komfortables Leben an den Beginn. Noch streiten Model Carl (Harris Dickinson) und die zickige Influencerin Yaya (Charibi Dean Kriek) kleinkariert, wer die Restaurantrechnung bezahlt. Doch schon bald eröffnet ihr Job beiden eine Reise auf einer Luxusyacht, bei der für die Crew nur ein Motto gilt „Yes Sir! Yes Lady!“, so absurd auch die Wünsche sind.
© Alamode Film 2022, Fredrik Wenzel
Drehbuch und Kamera kreisen wie in einem Kammerspiel um ein überschaubares halbes Dutzend Superreiche. Ein russischer Oligarch (Zlatko Buric) verdient sein Geld mit „S….“, wie er sein Geschäft mit Düngemitteln selbstironisch kommentiert. Ein uraltes britisches Ehepaar glaubt immer noch, mit Waffengeschäften den Frieden auf der Welt zu sichern. Ein einsamer Multimillionär sucht die Gesellschaft. Eine gelangweilte, alkoholisierte Dame (Sunnyi Melles) verschafft sich durch Rollentausch mit dem Personal etwas Abwechslung. Eine andere Gattin im Rollstuhl (Iris Berben) ist durch ihre Stummheit von Anfang an trotz Reichtum Inbegriff völliger Abhängigkeit. Ruben Östlund zeichnet sie nicht unsympathisch, genauso wenig den ständig betrunkenen, sozialistisch angehauchten Kapitän (Woody Harrelson). Die Heldin hinter den Kulissen ist Service-Chefin (Vicki Berlin), die u. a. dafür sorgt dafür, dass der Kapitän, wenn auch nur wie der schiefe Turm von Pisa die Stellung hält und das Dinner, satirischer Höhepunkt des Tages, zelebriert werden kann. Mit gedrillt überzogener Präzision werden die Messinghauben tischweise hochgeschwungen, um die abstrusen Leckereien zu enthüllen. Dazu gibt es jede Menge Champagner. Als dann noch der Sturm für zusätzliche Schwingungen sorgt, hat das Erbrechen kein Ende mehr. Nicht nur Sunnyi Melles’ schon bei der Premiere in Cannes viel besprochene Kotzszene verwandelt die Welt der Superreichen in ein Chaos. Alle speien ihr übersattes Leben regelrecht aus. Dessen ungeachtet spielt der Flügel digital weiter. Statt einer beruhigenden Durchsage des Kapitäns wird dessen temperamentvoller Disput mit dem Oligarchen über Marx und Lenin, Reagan und Thatcher hörbar. Ideologiephrasen prallen aufeinander. Tiefgang hat nur das Meer. Doch es kommt noch skurriler. Kaum hat sich der Sturm gelegt, die Crew auf allen Vieren den Boden blank geputzt, explodiert eine Handgranate. Mit dokumentarischer Emotionslosigkeit filmt die Kamera aus der entfernten Perspektive der Piraten die Brandwolke. Noch ist es nicht das Finale.
Einige können sich auf eine Insel retten und dann passiert tatsächlich die proletarische Revolution, als die philippinische Toilettenmanagerin Abigail rigoros das Kommando übernimmt, weil letztendlich nur sie Fische fangen, Feuer machen und jagen kann. Sie ermöglicht das Überleben. Doch an der Macht führt sie Grausiges im Schilde, womit Ruben Östlund auch dieses Ideologiemodell ad absurdum führt. William Goldings „Herr der Fliegen“ von 1954 lässt grüßen.