„Brechts Gespenster“, Berliner Ensemble©Michaela Schabel
Der Wind braust, Geflüster, schräge Töne via Keyboard, eine Melodie auf der Trompete, pulsierende Schlagzeugrhythmen. Zur nächtlichen Stunde wachen „Brechts Gespenster“ auf der Bühne des Berliner Ensembles auf. Im Hintergrund schimmert Glitzervorhang aus der „Dreigroschenoper“. Kafka schreibt gerade einen melancholischen Brief, um menschliche Brücken zu bauen und schwebt dennoch einsam auf dem Briefbogen davon wie einst sein „Kübelreiter“. Er ist das Gespenst schlechthin, „das Abwesende, das doch anwesend ist“. Brecht als Kontrapunkt dagegen braucht die Welt, weil er sie verändern will. Seine Gespenster, die immer noch wirken, oszillieren zwischen Kommunismus und Kapitalismus, herrlich ironisch zelebriert von Kurt Weill am Klavier, Pavarottis schmalzig geschmetterter Kinderhymne und von Manfred Wekwerths amüsant überzogenem Exkurs über Brechts Verfremdungseffekt, Margaret Thatcher wird zur Inkarnation eines verknöcherten Kapitalismus, der nur Ausbeutung kennt. Marx und Gott, beide nicht von ungefähr mit denselben Gesichtszügen und ähnlicher Aura, diskutieren über Gott und die Welt.
©Berliner Ensemble, Jörg Brüggemann
Nein, Opium für das Volk will Gott nicht sein, das schläfert ein, schon besser LSD-Gott und er singt Brechts Lied von „dem, den keiner kennt“. Gott gefällt die Welt nicht mehr und den Proleten auch nicht. Zu siebt marschieren sie auf, kleine spartanische Holz-Gliederpuppen ohne Gesicht, aber mit Brechts Käppi.
©Berliner Ensemble, Jörg Brüggemann
Ausbrecher gibt es nicht im Zeichen der Solidarität, höchstens Selbstmord. Als der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht, stürzt sich ein Prolet von der Theaterloge in den Tod, eine der besten Szenen.
Arg kitschig ist die Verniedlichung „der kleinen Leutchen“ zu Gartenzwergen, hier driften „Brechts Gespenster“ in die „Augsburger Puppenkiste“ ab trotz der zugespitzten Sprachbilder. Egal ob als ein frustrierendes Sich-zu-Tode-hinauf-Rennens auf einer nach unten gleitenden Rolltreppe oder im überfüllten Lift nach oben, der steckenbleibt, für die von unten gibt es keine Karriere nach oben. Das wirkt insgesamt doch weit weg von den ansonsten sehr aktuellen Inszenierungen des Berliner Ensembles.
Künstlerisches Team: Suse Wächter (Regie, Puppenbau), Constanze Kümmel (Bühne), Martin Klingeberg, Matthias Trippner (Live-Musik), Steffen Heinke (Licht), Bernd Stegemann (Dramaturgie)
Auf der Bühne: Suse Wächter, Hans-Jochen Menzel, Martin Klingeberg, Matthias Trippner