"Kultur macht glücklich"


Ferdinand von Schirach – „Nachmittage“

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Ferdinand von Schirach – „Nachmittage“

©Luchterhand Verlag, 2022

Die Suche nach dem Sinn des Lebens leuchtet als roter Faden immer wieder auf. Der Wendepunkt liegt nicht wie bei Kurzgeschichten am Anfang oder mittendrin. Der letzte Satz, zuweilen erst das letzte Wort sorgt für eine kühne, mitunter auch für vorhersehbare Überraschung wie in seinen Kriminalgeschichten „Verbrechen“ (2012), wodurch einige Geschichten im Gedächtnis bleiben. 

Ferdinand von Schirach zeigt einmal mehr, wie spannend und unterhaltsam er erzählen kann. Die Einsichten, die seine Protagonisten resümieren, überraschen weniger, sind schon oft thematisiert, den praktischen Lebenserfahrungen und ihrem Wiederholungsfaktor geschuldet und sind die Inspirationsquelle für Ferdinand von Schirachs Erzählungen, ob realistisch oder fiktiv, bleibt dabei offen. Kunst hat nicht die Macht zu verändern. „Sie kann nur Trost sein“, ergänzt er als literarisches Ich. Und seine Protagonisten? „Nie werden sie die, die sie sein wollen“, ist im Grunde ein Selbstbekenntnis, das er in der zehnten Geschichte offenbart. Ein anderes Leben abseits der Familie, zu der er sich nicht zugehörig fühlte, hatte er gesucht, wurde zunächst trotzdem nicht Autor, sondern Jurist aus Angst wie der Vater den Halt zu verlieren, den die Scheidung von seiner Frau in den Alkoholismus trieb. Als Autor treibt ihn die Frage nach der eigenen Authentizität und des Menschseins um.

In seinen Gesprächs-„Nachtmittagen“ entdeckt er jetzt als Richtschnur „Die Mitte des Lebens“, womit er nicht das Mittelmäßige meint , sondern die Mitte fern der Extreme. Wie schon in früheren Geschichten offeriert er die Polaritäten in der Seele eines Menschen, „das Schwein“ und „den guten Menschen“ mit dem optimistischen Fazit „der Andere ist die einzige Möglichkeit zum Menschen zu werden.“

Ferdinand von Schirach „Nachmittage“, Luchterhand Verlag, München 2022, S.