Die Flagge Kubas fällt zu Boden und offeriert einen ruinösen kolonialen Palacio. Die Farbe brökelt, durch die Holzverbretterungen leuchtet der blaue Himmel. Das signalisiert Verortung im armen kolonial ausgebeuteten Kuba, ist Kneipe, Liebesnest, Plaza de la Revolucíon, Casino und Boxkampfring.
Die Geschichte bleibt gleich inklusive Tabakfabrik. Zigarrenrauchende Darsteller intensivieren Kubaatmosphäre. Carmen, mit Luna Manzanares Nardo rassig, stimmgewaltig bestens besetzt, will sich nicht mehr vom Machismo dominieren lassen. Mit ihren Verführungeskünsten beherrscht sie die Männer. José bleibt der brav naive Soldat aus der Oper. Sein Konkurrent wandelt sich allerdings vom Torero zum gefeierten Boxer. Die Schmuggler sind Revolutionäre. Das multikulturelle Tanzensemble spiegelt Kubas Bevöllkerungsstruktur, schwingt die Hüften salsamäßig, bringt die ekstatischen afrokubanischen Ritualtänze der weiß gekleideten Santarias ein und steigert sich von simplen Revuetänzen über eine hochprofessionelle Casino-Show zu einem akrobatischen Boxtanz.
Trotzdem will im ersten Teil des Musicals der Funke nicht springen. Bis auf Carmen Verführungsszene mit José, den sie mit feuriger Weiblichkeit und raffinierten Fächerposen betört, bleiben Tanz und narrative Passagen mit der stimmmächtigen Albita Rodriguez als Señora Wahrsagerin, Erzählerin und Josés Mutter ziemlich altbacken. Die Musik eine Mischung zwischen Salsa und Bigband opernhaften Liedern und simplen Lovesongs reißt selten mit. Zu laut, zu schrill mischt die Technik ab. Carmens Todesmotiv in Wiederholung wird kitschig überstrapaziert.
Zu sehr orientiert sich „Carmen La Cubana“ inhaltlich und musikalische an Jones erfolgreicher Musicalversion von 1943 am Broadway. Das kubanisch-britische Produzententeam hat die weltweite Vermarktung im Sinn und diese folgt den Broadwaymaximen, viel Liebesgeschichte mit relativ banalen Songs vor themenspezifischem Lokalkolorit.
©Nilz Böhme
Spannender und stimmiger wird es im zweiten Teil, wenn diese inhaltliche und musikalische Dominanz der USA über die Bühnenshow im Casino und die Arroganz des amerikanischen Boxherausforderer deutlich wird. Doch leider bleibt die kubanische Revolution bleibt nur dramaturgisches Beiwerk.
„Carmen La Cubana“ arrangiert nur Kubaklischees, kommt über plakative Verführungs- und Machoszenen kaum hinaus. Emanzipation findet hier abgesehen von flotten Sprüchen kaum statt.
Lebens- und Tanzfreude der Kubaner vermittelt sich in erster Linie über Individualität der sympathischen Tänzerinnen und Tänzer. Wie elektrisierend, musikalisch zündend „Carmen La Cubana“ hätte sein können, wird erst in der perkussiven Zugabe von „Guantanamera“ spürbar.
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