©zu Klampen Verlag
Die Piraterie ist „das zweitälteste Gewerbe der Welt“, im Grunde nichts anderes als organisierte Kriminalität. Piraten brandschatzten, töteten, versklavten ohne Erbarmen. Die schwarze Flagge mit dem Totenkopf signalisierte, Gefangene werden nicht gemacht. Sie wurde deshalb von faschistischen Gruppierungen noch im 20. Jahrhundert verwendet.
Ende des Mittelalters, Anfang der Neuzeit entstand durch den Kolonialismus und den zunehmenden Seehandel ein Wertewandel. Piraten wurden als Schutz der Handelsschiffe oder in den Dienst von Monarchen geordert. Mit dem elisabethanischen Zeitalter avancierte der Pirat zum tapferen Retter, zuweilen sogar wie Sir Francis Drake in den Adelsstand. KönigInnen ließen für Piraten Schiffe bauen und die Seeräuber entschieden, wo letztendlich das Gold aus Lateinamerika in Europa anlandete, womit der Heroisierung und Romantisierung der Piraten als edle Helden Tür und Tor geöffnet wurde.
In Wirklichkeit blieben sie die grausamsten Mörder, die man sich vorstellen kann. Männer wurden auf das Brutalste gefoltert, Kapitäne und ihre Mannschaften ließ man auf ihren in Brand gesetzten Schiffen verschmoren. Frauen degradierte man zu Huren. Danach warf man sie ins Meer. Nachschub gab es auf den Beutezügen an Land genug. Ganze Landstriche entlang des Ärmelkanals, am Mittelmeer, in der Karibik und in Asien wurden entvölkert. In den Tropen, wo die Piraten wie in Nassau in Slums hausten, soffen, hurten und Fäkalien und Abfall an Ort und Stelle liegenblieben, konnte man die Piraten schon von der Ferne riechen. Sie waren anarchische Hedonisten, die ihr Beutegut verprassten, sich am Sklavenhandel bereicherten, andere aufs Schlimmste diskriminierten und in keinster Weise etwas zur gesellschaftlichen Entwicklung beitrugen.
Ihre Aufgabe im Dienste von Majestäten und Kaufleuten bestand lediglich darin den Feind zu kapern und Beute heranzuschaffen, was sie sich üppig bezahlen ließen, denn sie galten als die besten Kapitäne. Man überließ ihnen Schiffe mit bis zu 36 Kanonen. Über 2000 englische Schiffe versenkten die Piraten allein nach der Französischen Revolution. Die afrikanischen Piratenstaaten wurden von den europäischen Staaten diplomatisch anerkannt. Diese zahlten sogar Schutzgeld und lösten europäische Gefangene aus.
Nach der Französischen Revolution avancierten Piraten zur Projektionsfläche für Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit. Aber sie verwirklichten diese Werte nur in den eigenen Reihen und missachteten sie völlig im Umgang mit anderen.
Im Zusammenhang mit der Aufwertung der Piraten in einzelnen Quellen moniert deshalb Siegfried Kohlhammer zurecht eine „gewisse moralische (und intellektuelle) Unzulänglichkeit“. Sein Buch ist eine kritische grundsätzliche Horizonterweiterung.
©zu Klampen Verlag 2022
Siegfried Kohlhammer (*1944) lebte nach dem Studium der Germanistik, Philosophie und Romanistik jahrelang in Japan. Seit 2018 lebt er in Berlin. Er arbeitet als Übersetzer und Autor. 1998 publizierte er „Die Freunde und die Feinde des Islam“, 2011 „Islam und Toleranz“.
Siegfried Kohlhammer „Piraten. Vom Seeräuber zum Sozialrevolutionär“, Zu Klampen Verlag, Springe 2022, 165 S.