©Kulturmobil 2024, Foto: Harry Zdera
Statt naturalistischer Kulissen genügt ein Spannungsfeld aus elastischen Bändern. Sie fungieren als Parklandschaft, Wald, Liebeslaube und Wildnis, erlauben schnelle Szenenwechsel, flottes Suchen und Finden, Stolpern und Überraschen, komödiantisch überzogene Körperlichkeit in originellen Positionen. In diesem Rahmen wird Shakespeares‘ komplexes Stück auf vier verschiedenen Spielebenen sehr gekonnt mit nur sechs Schauspielern, fast jeder in zwei bis drei Rollen, verwoben, möglich durch das Farbsystem der Kostüme als Orientierungsrahmen.
Rot, die Farbe der Leidenschaft und Liebe, tragen die Athener, bei denen zwei extreme Welten zusammentreffen. Gesetz und Ordnung der Antike werden von den jungen Liebenden unterminiert. Hermia, die Tochter des Herzogs von Athen, soll Demetrius heiraten. Ansonsten erwartet sie der Tod oder das Kloster. Sie aber liebt Lysander, den wiederum Helena liebt. Diese Liebeswirren werden durch die Feenwelt, in grün-gold glitzernden Gewändern und Blumen im Haar als Ausdruck einer magisch irrationalen Naturwelt noch komplexer. Hier herrscht Oberon. Nach einem Streit mit Feenkönigin Titania lässt er sie durch Puck, seinen Hofnarren, durch eine Blume, Symbol natürlicher Empfindungen, einschläfern, betäuben. Wenn sie aufwacht, soll sie das Lebewesen, das sie als erstes beim Aufwachen erblickt. Es ist ein Esel. Der gleiche Zaubertrick verursacht bei den Athener Liebespaaren absolutes Gefühlschaos. Helena, gerade noch im Schatten Hermias völlig verschmäht, ist jetzt die Umschwärmte. Dazwischen leuchtet immer wieder die Welt der Handwerker auf vorwiegend in blauer Arbeitskleidung. Sie wollen für die Hochzeit des Athener Herzogs ein Stück über die Liebe von Pyramus und Thisbe einüben, allein es fehlt ihnen an jeglichem Talent. Ironisch pathetisch dick aufgetragen sorgen sie für viele Lacher, zumal Puck den Pyramus-Darsteller in den Esel verwandelt, den Titania liebt.
Ist das nicht alles völlig abstrus? Diese Frage ist berechtigt, doch der Magie eines „Sommernachtstraums“ geschuldet, in der eben alles vorstellbar ist. Der Zauber dieser Inszenierung liegt im Spiel mit den theatralen Elementen. „Blind, aber Flügel, wird es Liebe genannt“ rückt gleichsam bodenständig und abgehoben, sehr komödiantisch und doch von poetischer Ernsthaftigkeit in den Mittelpunkt. Die Liebe ist und bleibt ein Rätsel.
Sehr gut besetzt, gelingt unter Gollers Regie ein amüsanter, dynamischer und spannender „Sommernachtstraum“ über die Verirrungen der Liebe, das Wollen und das tatsächliche Können. Dass Goller die Handwerkerebene so stark in den Vordergrund ist im Rahmen des Kulturmobils nachvollziehbar. Als Gegengewicht heben Martin Kubetz’ atmosphärische Klanguntermalungen die poetischen Passagen sehr feinfühlig hervor. Der Zuschauer entdeckt dabei ganz von selbst die Bandbreite schauspielerischen Ausdrucksstile, von den sehr subtilen Gemütsempfindungen Helenas (Eva Gottschaller) bis zu Pyramus (Robert Erby) karikierenden Theatralik.
Künstlerisches Team: Sebastian Koller (Text, Regie), Martin Kubetz (Sound, Komposition), Claudia Weinhart (Ausstattung), Sabine Tanryiöver (Maske), Hanna Schnelle (Requisite)
Mit: Robert Erby (Pyramus), Eva Gottschaller (Helena, Löwe, Puck), Kolja Heiß (Lysander, Thisbe), Korbinian Josef Müller (Demetrius, Oberon, Regisseur), Désirée Siyum (Hermia, Wand), Laura Trischkat (Titania)