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Landshut – Thomas Köcks Agitationsstück „und alle tiere rufen“ in den Landshuter Kammerspielen kleines Theater

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Landshut – Thomas Köcks Agitationsstück „und alle tiere rufen“ in den Landshuter Kammerspielen kleines Theater

©Christoph Leibold

Vier Affen erscheinen nacheinander auf der Bühne, stimmen ihre Instrumente, Schlagzeug, Klavier. Beim Saxophon und der Sängerin mit E-Gitarre funktioniert das nicht. Die Masken müssen ab. Zum Vorschein…

kommen vier junge Frauen. Nach Textvorlage 13 bis 33 Jahre alt starten sie durch. Sie sind eben keine Affen, die weder sehen, hören, sprechen können, ein Motiv, das immer wieder aufttaucht, sondern wütende Verfechterinnen des Umweltschutzes. Unter der Regie von Christoph Leibold wird Thomas Köcks „Requiemmanifesto der Auslöschung – extinction“, seit der Uraufführung 2021 beim Weimarer Theaterfestival ein beliebtes Jugendstück, zum immersiven Agitationstheater. 

Die jungen Schauspielerinnen Sanna Morgenroth, Emilia Giesler, Lotta Leibold und Aline Pronnet sind in ihrem Element, verhandeln auf der Bühne, was sie im Leben bewegt. Im Stil der AktivistInnen von Extinction Rebellion, die 2018 in Großbritannien gegründet wurde und inzwischen in 80 Ländern der Erde vertreten ist, wird aktiviert, demonstriert, rebelliert. 

Von Anfang an ist Klartext angesagt. „Das hier will alle vor den Kopf stoßen… Wir sind Zeugen eines Untergangs…“ und so weiter. Die litaneiartigen Wiederholungen gehen schnell auf die Nerven, aber durch die Songs, projizierten Visualisierungen und immersive Theaterformen gewinnt das Stück eine derartige Kraft, der sich auch die angeklagte Generation der Älteren nicht entziehen kann, die durch ihren kapitalistischen Lebensstil die Klimamisere und das Aussterben der Tiere verursacht hat.

Die vorgebrachten Argumente sind bekannt, genauso die rosenkranzmäßig vorgetragenen Thesen, was man nicht sein will. Die Zeit des Menschen ist nur ein dünner Strich in der Zeitgeschichte und die vergeudet er, indem er andere Lebewesen aus Spaß ausrottet. Ein Beispiel nach dem anderen wird in immer wütender Rhetorik describiert und visualisiert, die Evolution vom Affen zum Homo Erectus kombiniert mit der Rückwärtsentwicklung des Menschen zum Affen in einem gezeichneten Quick-Video zum originellen Leitmotiv dieser theatralen Performance unter dem Motto „und alle tiere rufen: dieser titel rettet die welt auch nicht mehr (monkey gone to heaven).

Man fühlt, wie sehr den vier Frauen die Problematik unter den Nägeln brennt. Köcks Agitationstext im Futur II bietet hohes Identifikationspotential, weil er thematisiert, was womöglich nie gewesen sein wird, weil er Arten einbringt, die noch hätten sein können, hätte die Europäer nicht durch ihre rigiden Ausbeutungsmechanismen Lebensräume ausgelöscht. 

Als Aline Pronnet im grünen Jacket als Sprecherin der Wirtschaft kurz in hauptberufliche Rolle als Keynote-Speakerin für Nachhaltigkeit und Zero Waste schlüpft, löst sie eine Protestwelle aus, wobei die drei anderen in Warnwesten das Publikum im Handumdrehen über Plakate und Zurufe zum Mitdemonstrieren animieren. Unterfüttert mit Protestsongs u. a. „Monkey Gone to Heaven“ von den Pixies (1989) und Bettina Wegners „Umweltlied“ (1980) entwickeln Stück und Inszenierung eine mitreißende Energie, die in einem Mitmach-Abgesang kulminiert und das Publikum mit der pessimistischen Fragestellung „Why did we choose extinction?“ entlässt. 

Künstlerische Leitung: Christoph Leibold (Inszenierung)

Mit: Sanna Morgenroth (Klavier, kleine Orgel), Emilia Giesler (Schlagzeug), Aline Pronnet (Gitarre, Gesang), Lotta Leibold (Saxofon, Gesang)