"Kultur macht glücklich"


Landshut – Nick Hornbys „NippleJesus“ in den Kammerspielen Landshut

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Landshut – Nick Hornbys „NippleJesus“ in den Kammerspielen Landshut

©Michaela Schabel

Kann sein, dass Dave bei Schulausflügen, die er hasste, schon einmal in einer Ausstellung war, aber dieses Jesusbild 3 auf 2 Meter groß ist seine erste bewusste Konfrontation mit Kunst. Jetzt kapiert er auch, warum ausgerechnet er als einziger männlicher Bewerber von ca. 60 Frauen für den Job ausgewählt wurde. 14 Tage war er nur arbeitslos, nachdem er als Türvorsteher in einem Club gekündigt hatte. Er wollte sich nicht mit einem Messer abstechen lassen, nur weil er einen Typen wegen Belästigung zweier junger Frauen an die Frischluft hinausbefördert hatte.

Andrés Mendez ist zwar kein Schrank von 1,85 Meter und 85 Kilogramm, wie Nick Hornby seine fiktive Figur beschreibt, aber seine subtile Mimik und Körpersprache signalisieren nicht minder rabiates Reaktionsvermögen und schnelles Taktieren.

Von der ersten Minute an zieht dieser Mendez-Dave das Publikum in seinen Bann. In dem einstündigen Monolog des britischen Kultautoren Nick Hornby („High Fidelity, „About a boy“) stellt Dave ein scheinbar simpler Geist die richtigen Fragen zwischen Wunschvorstellungen und Realität mit einer Frau, beim Ausgehen wie ein Model und nachts schnarchend mit Mundgeruch.

Jeder zweite Satz in diesem Monolog ist blanke Satire als Antwort auf ernsthafte Fragen unseres verkorksten Lebensstils zwischen Alltagsfrust und Lebensträumen.

Klar, kann er weder Ronaldo noch Brad Britt werden. Er bewacht nur ein Bild, das erst ab 18 Jahren zu sehen erlaubt ist, vor dem die Besucher gewarnt werden, da es religiös und moralisch anstößig wirken kann. Obwohl man das Bild auf der Bühne nicht sieht, kann man es sich ganz genau vorstellen. Der Skandal ist vorprogrammiert. In Uniform wirkt Dave wie eine Respektsperson, gleichsam optisch befördert, im Innern hadert er weniger mit sich als mit der Welt.

Sehr subtil, mit Contenance agiert Andrés Mendez unter der Regie von Bettina Wilts auf der Bühne. Ein paar Versatzstücke mit Hinweis auf die einstige Kunstzeitschrift „Flash Art“ und den umstrittenen Künstler Gino De Dominicis genügen das Kunstmilieu zusätzlich zwischen Dandy, Mythos und Agitation zu ironisieren. Dave weiß sich seinem Umfeld anzupassen. Nur sein Jargon verrät sein bisheriges soziales Milieu und seine Tätowierungen, wenn er die weißen Ärmel zurückschiebt. Er geht ein paar Schritte, denkt nach, parodiert die Menschen seines Umfeldes so plastisch, als stünden sie auf der Bühne. Er karikiert die Reaktionen der Besucher, Politiker, die entsetzt sind, Journalisten, die den Unmut befördern, den selbstbewussten Pfarrer, der sich selbst ein Bild vom Bild machen will, den verrückten Spinner, der Dave in die Hölle verflucht. Dieser Underdog-Dave mag das Bild, nicht zuletzt wegen der  smarten jungen Künstlerin. Ihr Dank für ein Foto von ihr vor ihrem Bild wertet er als persönliche Respekterweisung. Das tut seinem Ego gut. Sein Job kommt ihm plötzlich bedeutsam vor. Das Bild wird zu Daves Herzensangelegenheit. Umso betroffener ist er, als es von der Wand gerissen und zertrampelt wird und sich die Künstlerin noch darüber freut. Das war so kalkuliert inklusive der Aufzeichnung durch die Überwachungskamera. Kunst soll provozieren, betroffen machen. Genau das gelingt mit „NippleJesus“. Jesus und die Werte, für die er steht, werden tagtäglich niedergetrampelt, die Symbolik der weiblichen Brust als Basis für neues Leben und Ausdruck der schützenden Geborgenheit pornografisch entwertet.