©kleines theater Kammerspiele Landshut, Foto: Stefan Klein
Zögerlich, genau beobachtend kommt Léonie Thelen mit einer Tasse Tee auf die schwarz ausgekleidete Guckgastenbühne. Ein Drehhocker genügt ihr um Ingrid Lausunds wortmächtig aufgebauschten Monolog schauspielerisch gekonnt zwischen Witz und Ernst in Szene zu setzen…
In ihrem neuen Stück „Der geflügelte Froschgott“ (2023) spürt die renommierte, mehrfach ausgezeichnete Drehbuch- und Theaterautorin dem postmortalen Leben nach. Angenommen, ich habe eine Seele, die ins Jenseits geht, ist dann mein Ich noch dabei? Wie muss man sich die letzte Befindlichkeit vorstellen? Transzendiert nur der Mensch oder auch eine Pizza? Welcher Gott hat das Sagen? Sind die Götter der alten Mythen einzubeziehen? Muss man sich vor der dreibusigen Göttin samt Urfisch und Seelenwanderkrokodil des Wyndushu-Glaubens oder vor dem geflügelten Froschgott verantworten? Und weiß die Hölle überhaupt, dass sie eine Metapher ist? Eine Frage provoziert die nächste, voller abstruser Assoziationen. Sie bleiben unbeantwortet. Lausunds Monolog entpuppt sich als ironisches Perpetuum mobile von Unbeantwortlichkeiten, in dem Götter und Glauben, Hölle und Himmel ad absurdum geführt werden. Nur L’art pour l’art? Nicht nur, der Text durchbricht gerade durch seine schrägen Fragen traditionell gepflegte Denkklischees.
Lausund hat das Stück in zwei Versionen geschrieben. Das fiktive Ich kann ein Mann oder eine Frau sein, was aber von einigen rollenspezifischen Unterschieden abgesehen wenig ausmacht, weil der Text unabhängig von der Genderfrage um die letzten Seinsfragen kreist. Im kleinen theater wählte man die weibliche Version, eine Paraderolle für Léonie Thelen.
Zusammen kürzten Eos Schopohl und Thelen Lausunds 25-seitigen „Gedankenstrudel von Sein und Nichtsein“ beherzt ein, wodurch sich das Chargieren des Monologs zwischen pragmatischer Alltagslogik und philosophisch-religiöser Systemhinterfragung knackig humorvoll verdichtet.
Schopohl verzichtet auf bühnen- und kostümmäßige Groteske. Sie legt ihre Inszenierung kammerspielartig an. Sehr authentisch sinniert Thelen über das Leben nach dem Tod, zuerst aus der eigenen Perspektive, dann immer mehr über die des geliebten Mannes, der infolge einer Krebskrankheit gestorben ist. Ob er sich jetzt verantworten muss, weil er seine erste Frau verließ? Und ob er sich auch vor deren Anwälten rechtfertigen muss? Was wäre, wenn sie die transzendierte Ehefrau treffen würde? Thelen hakt nach, schüttelt selbstversponnen den Kopf, wirkt verwirrt, schlussfolgert glasklar, singt selbstvergessen einen italienischen Evergreen aus besseren Tagen, zweifelt, weint und lacht, ruft zum weltweiten Religionsstreik auf, telefoniert fiktiv mit Gott, ringt auf den Knien um Erleuchtung. Allein es stellt sich keine ein. Nichts bleibt als der Zweifel an der Wahrheitskategorie Glauben. Nicht einmal beim Sterben den letzten Frieden zu finden ist gesichert angesichts des „Höllengottes“.
Schopohl strukturiert den gedankenexplosiven Monolog klug durch eine Stimme aus dem Off, die die Kernzweifel hervorhebt. Mancher Satz bleibt hängen, viele erlöschen wie Leuchtraketen. Das Resümee oszilliert zwischen bitter „In der Schöpfung hat immer die Gewalt das letzte Wort“ und gleichsam hoffnungsvoll „Könnte es sein, dass die menschliche Liebe der Verweis auf eine göttliche ist?“
Regieteam:
Mit: Léonie Thelen