"Kultur macht glücklich"


Landshut – „Die Zukunft war gestern auch besser“ eine szenische Lesung von Karl Valentin im kleinen Theater, Kammerspiele Landshut

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Landshut – „Die Zukunft war gestern auch besser“ eine szenische Lesung von Karl Valentin im kleinen Theater, Kammerspiele Landshut

 ©contraBande

Denkt man an Karl Valentin fallen einem sofort seine absurd verdrehten Sätze ein, die derzeit…

als Postkartensprüche wegen ihrer lebensphilosophischen Hintergründigkeit ein Revival erleben, weil sie unter Deckmantel der Komik die sozialen Defizite kritisieren. Diese Quintessenzen sind Rupert Seidl und Adriana Kocijan zu abgegriffen. Alternierend und zusammen präsentieren sie  im Foyer des Kleinen Theaters Valentins Sketche, Couplets und Monologe. Es ist ein sympathisches, eingespieltes Duo, das äußere Ähnlichkeiten mit Karl Valentin (1882-1948) und Liesl Karlstadt ahnen lässt, vor allem aber durch die sprachliche Umsetzung brilliert. Seit 2021 sind sie ihrem Programm auf Tour, das sie für die Uraufführung im Kleinen Theater mit Matthias Ebert am Regiepult in eine szenische Lesung verwandeln.

Ein großer Holztisch und ein Notenpult genügen. Der Fokus liegt auf den Texten, auf der Sprache, mit der sie Karl Valentins ironisch positivistische Denkweise „Heute ist die gute alte Zeit von morgen“ zum Leben erwecken. Das passiert als unkommentierte Szenencollage, ohne jegliche Aktualisierungen, nur mit kurzen Breaks. Zu Beginn erzählt Seidl in groben Zügen Valentins Vita, um Verständnis für dessen skurrile Überlebensphilosophie zu schaffen in einer Zeit, in der Künstler wie er am Hungertod starben.

Durch Positionswechsel, raffinierte Lichteinstellungen, atmosphärisch untermalende Geräuschkulissen, vor allem durch gekonnte Stimmmodulation und Mimik sorgen Seidl und Kocijan abwechselnd und zusammen für dramaturgische Abwechslung. Seidl besticht durch seine ungeheure Spracheloquenz, die beim sprachanarchistischen, exotischen Silbenkauderwelsch des „Chinesischen Couplets“ mit nur minimalen Momenten der Spracherkennung regelrecht explodiert, während Kocijan im Hintergrund mit Mimik, Gestik und Klangeffekten witzige Akzente setzt. Weitere Highlights sind in die bekannten Texte wie der berühmte Streit über das „n“ in den „Semmelnknödeln“ oder „Buchbinder Wanninger“, eine frustrierte Persiflage deutscher Bürokratie, wobei Kocijan durch ihre schauspielerische Präsenz verdeutlicht, wie wichtig Liesl Karlstadt für Karl Valentin auf der Bühne gewesen ist..

Sehr liebenswürdig und um größtmögliche Authentizität bemüht präsentiert Seidl Valentin bei der peniblen Suche nach der trefflichsten sprachlichen Version und verheddert sich satirisch in den umständlichsten Formulierungen, die er mit Bravour syntaktisch zu Ende führt. 

Die Texte sind gut ausgewählt, lassen im Falschsein der Menschen, den Reflexionen, wer, wann, wem fremd ist oder durch den raffiniert notorischen Neinsager, der sich dem autoritären System widersetzt, Parallelen in der Gegenwart erkennen. 

„Die Zukunft war früher auch besser“ gibt einen kleinen Einblick in das Wirken von Karl Valentin und Liesl Karlstadt, löst aber keine Karl-Valentin-Nostalgie auf. Man vermisst die schrägen zugespitzten Quintessenzen, das Grauen unter der Sprachakrobatik dieses einzigartigen bayerischen Komikers, der schon durch seine ausgehungerte Gestalt unter der Maske des naiven Komikers den Schrecken der Zeit und seiner desolaten Existenz vermittelte. „Mögen hätt’ ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut“.