©Sabine Lernhart
Mit hochgesteckten Haaren, leicht vorgebeugt, mit wohl modulierter, sehr milder und empathischer Stimme und klarem Blick liest Ursula Berlinghof aus Harald Jähners „Wolfszeit – Deutschland und die Deutschen 1945 – 1955“. Das Kapitel „Die Vertriebenen“ von 1945 verblüfft durch die Parallelen zur Flüchtlingsbewegung 2017. Bei der innerdeutschen Migration stießen Mentalitäten krachend aufeinander. Misstrauisch beobachten die Einheimischen die religiösen Gebräuche der Flüchtlinge aus dem Osten. Man sah die nationale Tradition bedroht. Rassistisches Vokabular breitete sich wieder aus. Massenschlägereien brachen aus. Die Liebe wirkte allmählich als Migrationshilfe. Aber es dauerte bis 1966, bis die letzten Barackenlager für Vertriebene mit 20 Menschen pro Raum aufgelöst werden konnten.
Wesentlich heiterer hört sich unter Ursula Berlinghofs ironischer Intonierung eine ebenfalls auf die Nachkriegszeit bezogene Passage aus Peter Peters „Kulturgeschichte der deutschen Küche“ an. Zunehmender Wohlstand reduzierte die Küche. Flinkes Kochen machte die Frauen glücklich. Tischlein-deck-dich bestand aus Fischstäbchen aus der Gefrierkühltruhe und Hawaiitoast in der Mikrowelle. Die Restaurantkette „Wiener Wald“ wurde zur ersten Systemgastronomie und kurbelte die Käfighaltung der Hühner an. Die Küche schrumpfte zum Arbeitsraum, während sich die Familie mit Chips um das Fernsehgerät gruppierte.
Als „Literaturtante“, wie sich Ursula Berlinghof selbst schmunzelnd betitelt, endet auch ihre Bücherauswahl literarisch mit skurrilen Geschichten aus Mariana Lekys Bestseller „Bis der Arzt kommt – Geschichten aus der Sprechstunde“
Am 5. Juni wird Luisa Stroux eine Auswahl ihrer Lieblingstexte in den Landshuter Kammerspielen präsentieren.