©Deutscher Bühnenverein, Foto: Markus Nass
Nele Hertling (*1934) war überrascht, ihre Freude groß über die Ehrung für ihr Lebenswerk mit dem „Faust 2024″. „Es ist ein Preis, den ich wirklich schätze, da er aus der Erfahrung und der Kompetenz des Theaters selber entschieden wird und weil mit der Preisverleihung die großartige Vielfalt des Theaters heute auf überzeugende Weise sichtbar gemacht wird“, erklärte sie anlässlich der Auszeichnung. Die Jury ehrte Nele Hertling als „Grande Dame der Freien Szene“…
Sie ist die Erfinderin der freien Theaterszene, die sie ein Leben lang sehr gefördert hat. In der Begründung der Jury heißt es: „Ausdauer, Freundlichkeit, Charme und eine tiefe Liebe zur Darstellenden Kunst zeichnen Nele Hertling aus. Seit den 1960er Jahren prägt sie die Freie Szene in Berlin, als sie zur Akademie der Künste kam. Bis heute ist die 90-Jährige Direktorin der Sektion Darstellende Kunst und engagiert sich für kulturpolitische Initiativen wie „A Soul for Europe“.
Durch ihre Arbeit transformierte sie die Theaterlandschaft und brachte zeitgenössische Kunst nach West-Berlin in einen zu dieser Zeit oft selbstbezogenen Theaterbetrieb. Mit dem Festival „Pantomime Musik Tanz Theater“ gründete Hertling das wichtigste internationale Performance-Festival der 1970er und 1980er Jahre und mit dem Hebbel-Theater, das sie als erste Intendantin in Berlin 14 Jahre lang leitete, bekam Berlin das erste Theater für internationale Performance-Kunst. Mit der Gründung von Tanz im August folgte 1988 eines der größten internationalen Tanzfestivals in Deutschland.
Nele Hertling verstand die Freie Szene nie als Gegensatz zum Stadttheater. Sie schuf Theater für Berlin und lenkte als Dramaturgin, Kuratorin und Intendantin mit Blick für die Tanz-Avantgarde und ihrer Aufbau- und Vernetzungsarbeit die künstlerische Entwicklung der Nachkriegsjahrzehnte in ganz Deutschland. Zahlreiche heute führende KünstlerInnen wie Merce Cunningham, Anne Teresa de Keersmaeker oder Robert Wilson wurden durch ihr Wirken Teil der deutschenTheaterszene. Dabei ging es Nele Hertling immer um die Menschen und ihre Kunst. Sie war immer eine Frau des Dialogs und Austauschs, pflegte einen offenen Führungsstil und setzte sich aktiv gegen Autoritarismus und Geschichtsvergessenheit und für Demokratie ein. Sie kann damit heute noch Vorbild sein für die Kultur in Deutschland.«
Nele Hertling wurde in Berlin geboren und kam als Kind mit ihrer jüdischen Mutter in einem Pfarrhaus in Mecklenburg unter. Sie studierte Germanistik und Theaterwissenschaft an der Humboldt-Universität, arbeitete danach frei für Rundfunk und Theater. Anschließend verbrachte sie den Großteil ihres Lebens in Berlin, mit einigen prägenden Auslandsaufenthalten. Zunächst arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin für die Akademie der Künste in West-Berlin, von 2006 bis 2015 war sie deren Vizepräsidentin. 1988 gestaltete sie das Programm der Kulturhauptstadt Europas. Von 1989 bis 2003 leitete sie das Hebbel-Theater, aus dem später das Hebbel am Ufer (HAU) hervorging, und war damit die erste Intendantin eines Theaters in Berlin.