©Dajana Lothert
Es ist fast dunkel. Gongschläge exotisieren die Atmosphäre. Unter einer hohen Vegetationsdecke schreiten in einem diffusen Lichtkegel 15 Tänzer und Tänzerinnen im Kreis. Eine Tänzerin löst sich…
aus der Runde, tanzt in der Mitte, immer mehr folgen. Das Leben erwacht im Dschungel. Über wuchtige Schwungbewegungen der Arme, verbiegen und verschrauben sich die Körper. Sie verwandeln sich in pulsierende Energiebündel, bäumen sich auf und fallen wieder zur Erde, werden von einem seitlich grellen Lichtstrahl abgedrängt, regelrecht zusammengeschoben. Sobald das Licht der Zivilisation wieder verschwindet, entfalten sie sich von Neuem.
Seit der Gründung im Jahr 2010, arbeitet die Korea National Contemporary Dance Company, KNCDC, daran, dem zeitgenössischen Tanz ein optimales Umfeld zu bieten, in dem Künstler und Publikum gemeinsam wachsen können. Die KNCDC, die einzige Kompanie dieser Art in Korea, zielt auf ein gesundes Ökosystem, in dem unterschiedliche Werte koexistieren können. Gleichzeitig will sie das Leben der Bürger durch Tanz im Alltag bereichern.
Genau das thematisiert Choreograf Kim Sungyong, der seit 2023 die KNCDC leitet. Zusammen mit dem Komponisten Marihiko Hara hat er mit „Dschungel“ ein synoptisches Werk der Moderne geschaffen, das sich durch die Harmonie von Musik, Licht und Bewegung erschließt. Solistisch wird die Freiheit sichtbar, mit der sich jeder Mitwirkende ausdrücken kann. Zu dritt, zu viert offenbaren sich menschliche Konkurrenzen, die aber in den synchronen Passagen des Ensembles wieder völlig verschwinden.
Die Grenzen zwischen Mensch, Natur und Technik verschwimmen. Wie Vögel stolzieren die Tänzer und Tänzerinnen im Morgengrauen. Ihre Bewegungen machen Wasserrauschen hörbar. In der Morgenröte verdichten sie sich zu Schattenwesen, die mit der Helligkeit als Menschen erkennbar werden und durch ihre robotermäßigen Bewegungen auch künftige Facetten KI-gesteuerter Lebewesen integrieren. Es ist faszinierend, wie allein diese Sequenz die menschliche Entwicklung erlebbar macht.
Dabei chargiert die Musik zwischen rhythmischen Gongschlägen und perlenden Klaviertönen, sphärischem Brausen und Motorenlärm, Einzeltönen und wuchtigeren Zweiklängen, die das Ensemble in mitreißende Bewegungslinien und mitunter mit akrobatischer Beweglichkeit umsetzt, Rebellion assoziieren, aber die Harmonie gewinnen lässt.