©Christoph Ragnaud de Lage
Rotes Blinklicht in der Dunkelheit, eine Trompetenfanfare immer dissonanter und lauter bis zur…
Schmerzgrenze und zum Maschinengewehrgeknatter, Bühnenarbeiter und hampelnde Tänzer, mittendrin eine Choreografin mit Megaphon. So beginnt die Eröffnungsperformance von Némo Flouret „Derniers Feux“, („Letzte Lichter“). Ganz schnell wird klar, dass sich die 37. Ausgabe des Berliner Festivals „Tanz im August“ als „Resonanzraum aktueller gesellschaftlicher Fragen und ästhetischer Visionen präsentieren will. Flouret, ausgebildeter Tänzer und Choreograf, verdichtet an den Schnittstellen der künstlerischen Disziplinen die Aufarbeitung postkolonialer Unterdrückung zu effektvollen Metaphern.
Unter dem Diktat monotoner Trommelschläge werden große Platten, mehrere Meter lange Stangen und überdimensionierte Buchstaben hin-und hergetragen. Bunte Sweatshirts an den Stangenspitzen ragen weit in den Zuschauerraum bis zum 1. Rang. Tänzer laufen, hüpfen, drehen mit kreisenden Armen, raven, kreisen wie Derwische und formieren sich zu Gruppen. All das summiert sich zu einem apokalyptischen Chaos von Unterdrückung und Rebellion auf dem Metallgerüst verstärkt durch eine zweite Trommel, Gitarre, Trompete und sphärisches Sausen. Es gelingt bewusst nicht die Namen der Toten am Gerüst Buchstabe für Buchstabe aufzuhängen. Irritierend lautlos fallen die Platten plötzlich mit Domino-Effekt auf den Boden. Farbig angestrahlt durch intensive Grün- und Rottöne sind sie leicht deutbar als Metaphern für die Vernichtung von Natur und Menschen. Die TänzerInnen in drei Dreierreihen als wehrhafte Gruppe haben keine Chance. Ein Hagel kleiner Pfeile mit bunten Fähnchen signalisiert die Niederlage. Die TänzerInnen verwandeln sich in Schattenwesen. Nur ein Tänzer in weißen Klamotten tanzt und trampelt noch herum. Mit Knallerbsen sorgt er für Gemetzel-Assoziationen, während die Trompete für Requiem-Stimmung sorgt. Die durch das spektakuläre Pressefoto erwarteten „Letzten Lichter“ bleiben allerdings in der Berliner Bühnenversion ausgespart. Dunkelheit passt als Konsequenz der „Letzten Lichter“ dieser stringenten politischen Performance genauso, die allerdings weniger tänzerisch als konzeptionell überzeugt.
19 weitere Produktionen, darunter drei Premieren und zehn Deutschlandpremieren erwarten die Besucher noch bis zum 30. August