"Kultur macht glücklich"


Berlin – Christos Papadopoulos’ „Mycelium“ getanzt vom Ballet de l’Opéra de Lyon – ein absolutes Novum beim Tanzfestival

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Berlin – Christos Papadopoulos’ „Mycelium“ getanzt vom Ballet de l’Opéra de Lyon – ein absolutes Novum beim Tanzfestival

Ein Tänzer scheint durch kleine Ausstellschritte fast über die Bühne zu schweben, ein zweiter, dritter, weitere folgen. Bis zu 19 TänzerInnen sind auf der Bühne. Im ständigen Hin und Her, nahtloser Verdichtung und Auflösung bildet sich eine Schwarmenergie als Metapher für ein Mycel, dem komplexen Gewebe eines Pilzes oder Bakeriums, das sich final in Fisch- und Vogelschwärme verwandelt. Grandios setzt Christos Papadopoulos seine Faszination für Naturvorgänge in seiner neuesten Arbeit „Mycelium“ um. Getanzt vom Ballett de l’Opera de Lyon war diese Deutschlandpremiere in Kooperation mit dem Dresdener Gastspielhaus Hellerau der Höhepunkt des diesjährigen Festivals „Tanz im August“…

©Agathe Poupeney

Papadopoulos beherrscht die Kunst tänzerischen Minimalismus. Aus wenigen Bewegungen kreiert er einen hoch spannenden Tanzabend, der trotz aller Abstraktion sehr intensiv und poetisch die biologische Evolution vor Augen führt. „Mycelium“ avanciert vom organischen Mikrokosmos zur futuristischen Vision.

Die Bühne dunkel, die ärmellosen Kostüme schwarz, rücken Arme und Köpfe in den Mittelpunkt auf der raffiniert ausgeleuchteten Bühne. Wie elektromagnetisch angezogen nähern sich die TänzerInnen. Schert jemand aus, wird die gefährdete Balance an anderer Stelle sofort ausgeglichen. Jeder Schritt, jedes Armschwingen ist wichtig für die Gesamtheit. Je dichter das Ganze, desto wachstumsstärker wird es. Kleinste Veränderungen haben auf die organischen Muster weitreichende Folgen. Strukturen wiederholen sich, wachsen und mutieren exakt zu den perkussiven Akzenten der sphärischen Musik. Alles ist ständig in energetischer Bewegung und man spürt die daraus resultierende extreme Konzentration auch im Publikum.

In Zeiten der KI eröffnet sich durch die Monotonie der Bewegungen eine zweite Dimension, sobald sich aus dem Grundmuster durch eine neue Armbewegung eine schwungvolle Vierteldrehung mit Line Dance ähnlichen Richtungswechseln ergibt und schließlich auch die Köpfe stereotyp ihre Neigungsmöglichkeiten ausloten und damit die Möglichkeit andeuten, inwiefern sich Roboter selbstständig weiterentwickeln können. 

Dann ändern sich plötzlich Musik und der Tanzstil. Das Dröhnen weicht angenehmem Wassergeplätscher. Die TänzerInnen formieren sich wellenförmig. Die Armhaltungen signalisieren Fisch- und Vogelschwärme, so raffiniert choreografiert und getanzt, dass man das Abtauchen und Hochfliegen zu spüren glaubt. Welch ein faszinierender und inspirierender Tanzabend!