©Michaela Schabel
„Das blaue Land“ klingt romantisch, erinnert an E.T.A. Hoffmanns symbolische „blaue Blume“, bezieht sich aber…
in der Linie auf die „Blauen Reiter“ des frühen Expressionismus. Wo liegt eigentlich dieses „blaue Land“, was macht es so magisch? Warum fühlt man sich dort so wohl?
Kommunalpolitisch ist es ein Verbund von neun Gemeinden, acht im Landkreis Garmisch-Partenkirchen und eine in Weilheim Schongau. Murnau, Seehausen, Uffing, Schweigen-Grafenaschau, Ohlstadt, Großweil, Riegsee, Spatzenhausen und Eglfing bilden die Tourismusregion „Das Blaue Land“
Doch hinter dem Label steckt viel mehr als schnödes Marketing. Das Licht über der Landschaft verzaubert, am besten zu erleben in Murnau, worauf ein blauer Strich unter dem Ortsnamen verweist. In Murnau schaut man immer von erhöhten Aussichtspunkten auf die breiten flachen Strukturen des Murnauer Mooses, wodurch das Gebirgspanorama mit dem markanten Kistenkar zwischen Jochberg und Herzogsstand zurückweicht, dem Betrachter Raum gibt zum Durchschnaufen und zum Beobachten wie sich durch die Lichtbrechung je nach Wolkenlage, Witterung, Föhn, nicht zuletzt durch die Feuchtigkeit des Mooses, das größte in ganz Europa, atmosphärische Blau-Grau-Töne bilden.
Diese lichtatmosphärischen Veränderungen begeisterten schon Gabriele Münter und Wassily Kandinsky, die zwischen 1909 und 1914 die Sommer in Murnau verbrachten, einen Kreis gleichgesinnter Künstler immer wieder zu sich einluden und Kunstgeschichte schrieben, indem sie sich vom Impressionismus lösten und durch expressionistische Bilder eine Zeitenwende in der Kunst bewirkten. Als „Blaue Reiter“ gingen sie später in die Kunstgeschichte ein, wiewohl sich der Name nur auf den ersten und einzigen herausgegebenen Almanach bezog und der war in Blautönen.
Jetzt ist „Das Blaue Land“ nicht nur ein touristisches Label. Dahinter steht eine einzigartige Konzeption, die Fusion von Kunst und Kultur, Natur und Bewegung, vor allem in Murnau. Spazier- Wander-, Radwege führen nicht nur durch die wunderschöne Landschaft mit ihren einzigartigen Lichtstimmungen, sondern auch entlang der zahlreichen Kunststätten, wodurch Murnau zum Zentrum des „Blauen Landes“ avancierte, nur eine knappe Stunde von München entfernt, direkt mit dem Zug erreichbar.

Murnau©MIchaela Schabel
Dass Murnau schon vor den Expressionisten ein Künstlerzentrum war, ist dem Münchner Architekten Emanuel von Seidl (1856-1919) zu verdanken, der den Häusern entlang der alten Marktstraße im Gegensatz zur oberbayerischen Lüftlmalerei durch farbige Anstriche und ausgefallene Dekors eine außergewöhnlich atmosphärische Aura verlieh, was wiederum die Expressionisten, vor allem Münter und Kandinsky motivlich inspirierte…
Seidl brachte viele Künstler nach Murnau, sehr abwechslungsreich dokumentiert das Schlossmuseum die Bedeutung Murnaus für die Kunst, darunter der Stummfilmregisseur Friedrich Wilhelm Murnau Hinterglasmaler Heinrich Rampold, Ödön von Horváth (1901-1938), dessen Andenken durch die Ödon-von-Horváth-Gesellschaft gewürdigt wird. Murnau ist diesbezüglich auch literarisch weltweit bedeutsam und feiert nächstes Jahr entsprechend Horváths 125. Geburtsjahr. Das Herzstück des Schlossmuseums ist allerdings die Gabriele-Münter-Sammlung, wodurch immer neue Akzente in der Dauerausstellung gesetzt werden und deren Bilder derzeit auch in Paris und Madrid zu sehen sind. Doch nur in Murnau kann man Münters Stadtmotive mit einem Blick durch das Fenster des Schlossmuseums oder des Münter-Hauses mit der Stadtsilhouette vor Ort vergleichen.
Das Bewusstsein von Kunst und Natur ist in der Bevölkerung tief verankert. Der Griesbräu strahlt nach dem neuen Anstrich eben nicht in Grün, sondern in „Kandinsky-Grün“ und das 5-Sterne-Hotel Alpenhof unterstreicht die Fusion von Natur und Kunst durch große filigrane Skulpturen zeitgenössischer Künstler. Pegasus scheint jeden Moment über der Blumenwiese aufzusteigen.
Über Spazier-, Wanderwege und Fahrradrouten wird nicht nur die Vernetzung der Gemeinden im „Blauen Land“ intensiviert. Bei der „Blauen Reiter Runde“ erlebt über 60 Kilometer hinweg die landschaftliche Schönheit und die kulturellen Highlights. Auf den 30 Kilometer langen „Kulturspuren“ eröffnet sich eine Zeitreise in die Vergangenheit, die genauso lange „Moos-Runde“ im Naturschutzgebiet wird zum Naturerlebnis. Freunde der Literatur können auf über den „Horváth-Rundweg“ auf den Spuren diesen Weltliteraten spazieren, der nächstes Jahr zu seinem 125. Geburtstag mit einer Reihe von Kulturveranstaltungen gefeiert wird.
Selbst beim Bummeln oder Kaffeetrinken in der Fußgängerzone entführt der Bilderbuchblick auf das Alpenpanorama in das Geheimnis des „Blauen Landes“, das bei Sonnenschein jeden Tag aufs Neue durch seine zarten Blaunuancen verzaubert und im jahreszeitlichen Wechsel durch ganz unterschiedliche Stimmungen überrascht. Im „Blauen Land“ kann man fern vom Massentourismus magische Momente erleben. Dazu kommen die Blautöne der großen und kleinen Seen und die Freundlichkeit und Offenheit der Menschen. Im „Blauen Land“ entspannen Körper, Geist und Seele.