©Oper Leipzig, Foto: Kirstin Nijhof
Zauberhaft leicht, flott, voller Esprit spielt das Gewandhausorchester unter der Leitung Matthias Foremny Mozarts berühmte Ouvertüre. Eine Insel wählt Regisseurin Katharina Thoma für das experimentelle Verwirrspiel über…
Liebe und Treue, Selbstdarstellung und Selbstbetrug. Das klingt spannend und ist es auch. Kühler Lifestyle entlang der Bartheke trifft auf große Naturkulisse, Don Alfonsos klug eingefädelte Wette über die Untreue auf glühende Landschaftsstimmungen. Das gigantische Abendrot wird allerdings bald von dunklen Wolken durchkreuzt, als die beiden Pärchen, Ferrando und Dorabella, Fiordiligi und Guglielmo ankommen und, statt Urlaub, Amore und Heiratsvisionen, einen fingierten Einberufungsbefehl der Männer erhalten. Verkleidet kehren Ferrando und Guglielmo zurück, um ihre Zukünftigen auf die Probe zu stellen, wobei sie selbst untreu werden, sich aber schließlich gegenseitig verzeihen.
In der reichlich konstruierten Geschichte über die Treue der Frauen, ein Thema, das viele Dichter über Generationen inspirierte, lässt Regisseurin Thoma aktuelle Bezüge aufleuchten, was die Geschichte bezüglich partiell logischer, vor allem pfiffiger macht und die Zuschauer provoziert, sie kritischer zu hinterfragen. Der Einberufungsbefehl wird in Thomas Version tatsächlich ausgerufen, ein kleiner, ausdrucksstarker Auftritt des Leipziger Opernchors zu Beginn und am Ende bei der Rückkehr. Damit wird das Liebesleid und auch der Wandel der beiden Frauen nachvollziehbarer. Anfangs sind sie gestylte, selbstverliebte Influencerinnen, immer mit ihrem Aussehen beschäftigt. Als das Handy ins Meer fällt, die Liebsten eingezogen werden, beginnen sie sich unter Despinas Einfluss zu verändern, optisch Richtung Hippies, mental Richtung freie Liebe. Das Verwirrspiel bleibt gleich, ermöglicht aber durch die Drehbühne immer wieder neue voyeuristische Perspektiven. Nur der Blick unter das umgedrehte Schlauchboot als originelles Liebesnest bleibt verwehrt. Die beiden Verführer verwandeln sich in schrägen Klamotten in Karikaturen und ihre Libido wird gemessen an der schmal in den Himmel ragenden Zypresse witzig ironisiert. Klar, dass es in dieser Konstellation einen ganz anderen Schluss als gewohnt geben muss.
Nicht minder überrascht die musikalische Präsentation. Matthias Foremny setzt auf ein sehr flottes Tempo und extreme Dynamik, arbeitet überaus subtil die Rezitative heraus und gibt den Stimmen Raum sich zu entfalten. Je nach Emotion lässt er das Gewandhausorchester wuchtig aufspielen, ohne die Sänger zuzudecken und bei der Einberufung der Soldaten dürfen Pauken und Trompeten ironisch schrammeln.
Ausgesprochen klangschön und harmonisch brachten in der besuchten zweiten Vorstellung die zwei Liebespaare Mozarts Arien in unterschiedlichsten Konstellationen und Situationen zur Wirkung, stimmlich und schauspielerisch ein außerordentlich kokettes und sympathisches Quartett. Anastasia Zöhrer lässt durch ihren kraftvollen Sopran aufhorchen, Mezzosopranistin Gabriele Kupšytė durch ihr breites Tonspektrum. Alternierend offenbaren sie klanglich effektvoll die Achterbahn ihrer Gefühle. Matthias Stier (Ferrando) und Jonathan Michie (Guglielmo) agieren als liebenswürdige Charmeure mit sattem Timbre, die sich ohne jegliche Selbstreflexion von Don Alfonso manipulieren lassen. Diesem gibt Sejong Chang eine überlegene, playboyhaft erfahrene Gelassenheit. Dass allerdings sein Plan gelingt, verdankt er seiner Haushaltshilfe Despina, die ganz in Rot kess und sehr selbstbewusst Dorabella und Fiordiligi zur Untreue rät. Dabei gewinnt Mirjam Neururer zunehmend an Stimmvolumen. Szenenapplaus gab es für alle reichlich.