©Staatsoper München, Foto: Geoffroy Schied
Was tun, wenn die Hauptdarsteller einen Tag vor der Premiere erkrankt ist und es kaum Sängerinnen gibt, die diese selten gespielte Rolle beherrschen? Manuela Uhl…
sprang für Malin Byström ein, sang nicht nur, sondern spielte auch die Danae. Chapeau! Geballte Standing Ovations zu Recht. Dass sich das Publikum beim Schlussapplaus gleich wieder setzte, zeigt, dass die Inszenierung nicht wirklich begeisterte, was nicht an der künstlerischen Umsetzung liegt, sondern am Werk, geschrieben Anfang des Zweiten Weltkriegs in einer immer zwiespältigeren Situation für Richard Strauss als Günstling des nationalsozialistischen Systems, dann immer öfter in Konfrontation mit der Partei und schließlich von Goebbels als einer von gestern abgekanzelt.
Als „Heitere Mythologie in drei Akten“ bezeichnete Strauss sein Alterswerk „Die Liebe der Danae“, dem nur noch die Oper „Capriccio“ folgte. Willi Schuh, Kritiker der Uraufführung 1956 bei den Salzburger Festspielen brachte es auf den Punkt, „eine griechische Götterdämmerung“. Diesen Gedanken transponiert Regisseur Claus Guth gekonnt in die Gegenwart. In Cinema-Breitwand-Format findet die Götterdämmerung in einer Etage mit Blick auf die Skyline vis-à-vis statt, die sich später in einen verslumten Straßenzug von Obdachlosen verwandelt. Jupiter kommt nicht mit dem Boot, sondern mit einem goldenen Flugzeug, eine der wenigen witzigen Momente dieser Götterdämmerung. Es regnet Gold. Golden glänzen die Kleider und das überdimensionierte barocke Doppelbett, das sich um die eigene Achse drehend auf den Tanz um das Goldene Kalb aus der Bibel anspielt. Für Pollux ist Gold nur Zahlungsmittel, für Jupiter ein Zeichen seiner Macht, für Danae Inbegriff des Schönen. Sie hat wie Midas noch das Gefühl für wahre Liebe, lässt sich weder vom Vater, der sie reich verheiraten will, um seine Gläubiger bezahlen zu können, noch von Gott Jupiter als neuer Seitensprung instrumentalisieren. Die Liebe zu Midas ist stärker als zum Gold, womit Danae zur Hoffnungsträgerin in einer abgewirtschafteten Welt wird, in der der Glaube an die Götter verloren gegangen ist. Guths Aktualisierung ist stimmig und hält durch vergoldete Flächen, die weit in den Zuschauerraum hinein blenden, den kritischen Spiegel der materiellen Fixierung symbolisch vor Augen.
Das ist alles andere als heiter, auch wenn es ironisch konzipiert ist. Doch es überrascht, dass weder Geschichte noch Musik berühren. Das liegt weder an der Inszenierung noch an der musikalischen Interpretation, sondern an Strauss’ arg pathetischer Komposition und der permanent extrem hohen Tonlage, was über dreieinhalb Stunden hinweg, vor allem im dritten, sehr handlungsarmen Akt ermüdend wirkt, obwohl Bühnengeschehen und Orchester bestens harmonisieren, die Handlung durch fulminante Kostüme und Lichtstimmungen effektvoll visualisiert wird, ohne von der Musik zu stark abzulenken.
![Opernkritik von Richard Strauss' "Die Liebe der Danae" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de](https://schabel-kultur-blog.de/wp-content/uploads/2025/02/die_liebe_der_danae_cg_206-1024x683.jpg)
©Staatsoper München, Foto: Geoffroy Schied
Zu Beginn wirft sich Danae in Pose, per Video im Riesenformat projiziert, jedes Mal ein Fotoklick. Danae ist süchtig nach einem schönen, spannenden Leben. Ein Traum über Gold entfacht in ihr eine Leidenschaft, die ihr künftiger Freier auslösen muss, damit sie ihn heiratet. Midas kann das, aber Jupiter grätscht dazwischen. Des frivolen Ex-Geliebten-Quartetts ist er längst überdrüssig, ganz zu schweigen von seiner Frau, die eine Etage höher von oben das Geschehen eifersüchtig verfolgt. Jupiter, Macho durch und durch, hofft auf neue Sinnengenüsse durch Danae. Als sie sich ihm verweigert, erkennt er endlich, dass überhaupt keine Macht mehr über die Menschen hat. Nur die Obdachlosen glauben noch an ihn in der Hoffnung, dass er ihnen helfe. Mit dem Wanderstab in der Hand wendet sich Jupiter von der Menschheit ab. Die Liebe zwischen den Menschen bleibt als letzte Hoffnung im Umfeld von dokumentarischen Aufnahmen im Zweiten Weltkrieg zerstörter Münchner Stadtteile, während Strauss’ in Garmisch-Spatenkirchen spazieren geht, womit die Inszenierung final gekonnt das problematische Zeitgeschehen von Richard Strauss einbindet.
Bestens besetzt funkelt auch das Ensemble. Wüsste man es nicht, würde man die kurzfristige Rollenübernahme der Danae durch Manuela Uhl nicht ahnen. Andreas Schager überzeugt als Midas mit strahlendem Heldentenor und flexibler Dynamik. Fulminant und sehr textklar wandelt Christopher Maltman Jupiter vom narzisstischen Macho zum nachdenklichen Philosophen. Y-Chung Huang als Götterbote Merkur und das Geliebten-Quartett bringen operettenhafte Leichtigkeit ein. Der Chor avanciert stimmlich und schauspielerisch zum dramaturgischen Spannungselement.
Von Weigle sehr subtil und facettenreich dirigiert, kommt das Orchester am besten bei den Zwischenspielen zur Wirkung, ansonsten tritt es in den Dienst der SängerInnen und des fulminanten Chores.
Zum Richard-Strauss-Fan wird man durch diese Oper nicht unbedingt, vielmehr begreift man, warum sie nicht öfter im Repertoire der Opernhäuser zu finden ist.
Künstlerisches Team: Sebastian Weigle (Musikalische Leitung), Claus Guth (Inszenierung), Michael Levine (Bühne), Ursula Kudrna (Kostüme), Alessandro Carletti (Licht), rocafilm (Video), Christoph Heil (Chor), Yvonne Gebauer, Ariane Bliss (Dramaturgie)
Mit: Christopher Maltman (Jupiter), Y-Chung Huang (Merkur), Vincent Wolfsteiner (Pollux), Manuela Uhl (Danae), Erika Beikoff (Xanthe), Andreas Schager (Midas), Bálint Szabó, Kevin Connerts, Paul Kaufmann, Martin Snell (Vier Könige), Sarah Dufresne (Semele), Evgeniya Sotnikova (Europa), Emily Sierra (Alkmene), Avery Amereau (Leda), Yosif Slavov, Bruno Khouri, Vitor Bispo, Daniel Noyola (Vier Wächter), Louise McClelland (Eine Stimme)