Mit einer knallbunten Parodie präsentiert das Landestheater Niederbayern Jacques Offenbachs Operette „Die schöne Helena“ (1864) zum musikalischen Saisonauftakt, bestimmt nicht jedermanns Geschmack, aber bühnenoptisch, textlich und musikalisch überzogen, perfekte Satire, die jeden Klamauk erlaubt und in der…
Helena, erstklassig mit Reinhild Buchmayer besetzt, optisch und sängerisch wie ein Juwel im Umfeld tölpeliger Könige herausstrahlt. Klangschön, mit durchdringender Leichtigkeit und frivoler Erotik interpretiert sie die Partie. Klar, dass sich die schöne Helena angesichts ihres alten Ehemanns Menelaos nach einem Jüngling sehnt. Paris ist der Auserwählte, dem sie sich hingibt, zumindest im Traum als schlaue Legitimation. Der Traum ist aber Realität. Als beide in flagranti durch die unerwartete Rückkehr Menelaos erwischt werden, gilt der Spott nicht Helena, sondern ihm. Ein kluger Mann hat sich anzukündigen, um sich Peinlichkeiten zu ersparen. Ganz schön emanzipiert in der damaligen Zeit, sehr antiquiert heute.
An dieser Bruchstelle setzt das künstlerische Team unter der Regie von Dirk Girschik an. Die Opferstätte grau in grau wirkt wie aus Pappe. Umso mehr leuchten die Kostüme wie auf einer Faschingsgala. Wie eine Göttin erscheint Helena, nebelumweht ganz in Grün vor pinkfarbenem Hintergrund. Später stolzieren die Könige als parodistisches Panoptikum über eine Treppe auf die Bühne. Das optische Spektakel und witzige Textstellen, bei denen die humorvolle Handschrift von Dramaturgin Schmidt-Bundschuh aufblitzt, lockern die langen Sprechszenen auf.
In dieser überdrehten Konzeption kann Basil H.E. Coleman sein britisches Temperament ausleben, das gerne zum noch Schnelleren, Überzogenen, Schrilleren neigt. Schelmisch lässt er andere Komponisten anklingen. Der Can-Can hyperventiliert schmissig. Dazu passen die simplen, doch sehr effektvollen Tanzbewegungen, womit sich der Chor und die SängerInnen nicht nur tonal, sondern auch szenisch humorvoll präsentieren. Tänzerin Ursula Geef setzt akrobatische Akzente und setzt choreografisch Offenbachs in witzige Bewegungsbilder um.
Im dritten Akt verwandelt Ausstatterin Katja Salzberger die Opferstätte in einen Badekai mit Blick auf das Meer, der Frauenchor im neckischen Badeoutfit der 1920er Jahre.
©Landestheater Niederbayern, Foto: Peter Litvai
Ein Luxusdampfer a la „Traumschiff“ naht, um das Liebespaar auf die Insel „Ithaka“ zu bringen.In Ikea-Optik geschrieben entpuppt sich das Operettenklischee einmal mehr zu einem augenzwinkernden Ideengeber für parodistische Einfälle real existierender Traumwelten, durch deren bunte Fulminanz die SängerInnen von Helena und Chor abgesehen die zweite Geige spielen. Edward Leach bleibt als Paris als Helenas Objekt der Begierde in Optik und Gesang ein schlichter Schäfer hinter den Erwartungen zurück. Weilian Wang wirkt als Menelaos im Faltenrock wie ein Schüler rollenadäquat sehr bemüht, aber wenig überzeugend. Peter Tilch als Agamemnon und Emily Fultz als Bacchis setzen in ihren Minirollen charmante Akzente.
Künstlerisches Team: Basil H.E. Coleman (Musikalische Leitung), Dirk Girschik (Regie), Kata Salzbrenner (Ausstattung), Ursula Geef (Choreografie), R.-Florian Daniel (Chordirektor & Korrepetition), Swantje Schmidt-Bundschuh (Dramaturgie)
In der besuchten Aufführung mit Reinhild Buchmayer (Helena), Edward Leach (Paris), Weilian Wang (Menelaos), Sarah-Léna Winterberg (Orest), Peter Tilch (Agamemnon), Matthias Bein (Kalchas), Edmund Graf (Ajax I) , Stefan Metzger (Ayax II), Emily Fultz (Bacchis), Wolfgang Gebauer (Philokomus) Ursula Geef (Tänzerin)