"Kultur macht glücklich"


Berlin – Umberto Giordanos „Fedora“ begeistert an der Deutschen Oper Berlin

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Berlin – Umberto Giordanos „Fedora“ begeistert an der Deutschen Oper Berlin

©Deutsche Oper Berlin, Foto: Bettina Stöß

Atmosphärische Musik wie in einem Film. Die Gräfin ganz nah via Live-Video, beginnt „Fedora“…

spannend und bleibt es bis zur letzten Minute. Einst ein absoluter Opernhit, mit dem sich Umberto Giordano (1867-1948) über 12 Jahre lang beschäftigte, verschwand das veristische Opernjuwel plötzlich und wird jetzt von der Deutschen Oper wiederentdeckt. „Fedora“ ist zum ersten Mal in Berlin zu sehen. 

Unter der musikalischen Leitung von John Fiore und der Regie von Christof Loy gelingt eine nostalgische, überaus emotionaler und fesselnder Opernabend. Was nicht verwundert, denn wie bei Puccinis „Tosca“ bildet ein Theaterstück von Victorien Sardou die Handlungsbasis, wobei der Besucher immer etwas mehr weiß als die Hauptfiguren. Giordano war von Sardous Theaterstück „Fedora“, das er 1889 in Mailand sah, so begeistert, dass er das Stück trotz schwieriger Vertragsverhandlungen vertonte. 

Fürstin Fedora ist heimlich mit Graf Wladimiro, dem Sohn des Polizeichefs, verlobt. Als ihr Geliebter im Winter in St. Petersburg erschossen wird, schwört Fedora den Mörder Loris Ipanov zu verfolgen und zu rächen. Als sie ihn im Frühling in ihrem Pariser Salon kennenlernt und gekonnt in ihren Bann zieht, verrät sie ihn an den russischen Geheimdienst. Kurz darauf erzählt er ihr die ganze Geschichte. Es war Notwehr. Als Loris Wladimiro in flaganti mit seiner Frau Wanda erwischte schoss Wladimiro zuerst auf ihn. Jetzt steht der Liebe der beiden nichts mehr im Wege und sie genießen den Sommer im Berner Oberland. Es ist nur ein kurzes Glück. 

Giordanis Musik steht ganz im Dienste der spannenden Handlung, untermalt weniger die großen Gefühle zwischen Liebe, Rache, Tod, sondern beschleunigt das Geschehen überaus atmosphärisch und dynamisch von John Fiore dirigiert, sehr subtil und klar im Pianissimo mit überraschend wuchtigen Passagen, die die beiden Protagonisten, die litauische Sopranistin Vida Miknevičiūtė (Fedora) und der chilenisch-US-amerikanische Tenor Jonathan Tetelman (Loris Ipanov), tonal mühelos überstrahlen. Ein Hörgenuss, der mit Tetelmans „Amor ti vieta“ erstem Solo stürmischen Applaus auslöste. 

Gleichzeitig arbeitet Fiore das musikalische Kolorit der drei Örtlichkeiten von St. Petersburg, über Paris bis in die alpine Schweiz eindrucksvoll heraus. Musik wird typisch veristisch zum Ausdrucks regionaler Lebensstils, brachial inklusive Pistolenschüsse in St. Petersburg, leichtlebig, tänzerisch beschwingt in Paris, und in Francois Baders reine, klare Jungenstimme wird im Berner Oberland zum Vorboten des Todes.

Dazu kreiert Herbert Murauer eine edle Bühnenszenerie, in der Fedora in roter verführerischer Robe in ihrer Leidenschaftlichkeit bestens zur Wirkung kommt. Ein fast bühnenbreiter Bilderrahmen schafft eine zweite Spielebene, die durch Videos die tiefenpsychologischen Prozesse freilegt. In St. Petersburg enthüllen die Gedanken Fedoras, ihr Gesicht ganz nah herangezoomt, eine sehr selbstbewusste, narzisstisch, geltungsbedürftige Diva, die den wahren Charakter ihres Verlobten nicht durchschaut. Im Pariser Salon. In Paris verweist ein Klaviersolo eines jungen Komponisten im Stil von Chopins „Nocturno“ auf die künftigen romantischen Verwicklungen von Fedora und Loris. 

Gleichzeitig wird das Rätsel Frau wird über die Nebenpersonen klischeehaft witzig umrahmt. Julia Muzychenko parodiert als Gräfin Olga, eine russische Emigrantin in Paris, frivol in bester Soubrettenmanier die französischen Frauen. Im Gegenzug lobpreist Navasard Hakobyan als französischer Diplomat Giovanni de Siriex mit seiner wohlklingenden Baritonstimme ironisch die Tugenden der russischen Frauen. Mit beschwingten Tanzeinlagen gelingt kurz Champagnerstimmung.

Im dritten Akt wird der Rahmen zum realen zeitgenössischen Spielort in einem Chalet in den Schweizer Bergen. Mit dem traurigen Lied „Das Mädchen kehrt nicht mehr zurück“ lässt Bader das tragische Ende aufleuchten. 

Die Inszenierung ist auf jeder Ebene ein Erlebnis.

Künstlerisches Team: John Fiore (Musikalische Leitung), Christof Loy (Inszenierung) Anna Tomson (Szenische Einstudierung), Herbert Murauer (Ausstattung), Olaf Winter (Licht), Velourfilm AB (Video), Konstantin Parnian (Dramaturgie), Thomas Richter (Chor), Eva-Maria Abelein (Spielleitung)