"Kultur macht glücklich"


Berlin – Staatsoper – „Violetter Schnee“ – Uraufführung der Oper von Beat Furrer und Händl Klaus

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Berlin – Staatsoper – „Violetter Schnee“ – Uraufführung der Oper von Beat Furrer und Händl Klaus

… und erlebt wie in surrealen Alptraum Vladimir Sorokins Geschichte, auf der Klaus Händls Libretto für die Oper „Violetter Schnee“ beruht. Beat Furrer hat sie als  Auftragsoper der Berliner Staatsoper komponiert. Trotz der musikalischen Monotonie ist die Oper  ein konzeptionelles Meisterwerk, das ähnlich wie Lars van Triers „Melancholia“ die Grundfesten unseres Daseins in Frage stellt.

Sicher ist nichts, signalisiert schon das Brueghels Gemälde, dessen winterliche Harmonie durch die geringe Beute, ausgemergelte Hunde, Menschen und brennende Häuser in Frage gestellt ist. Das winterliche Treiben auf dem gefrorenen See erfolgt auf gefährlichen Terrain. Der sichere Untergrund ist fragil, kann jederzeit einbrechen.  Genau diese Diskrepanz wird zum Thema der Oper, großartig von Claus Guth in Zusammenarbeit mit Étienne Pluss (Bühne) und Arian Andiel (Video) inszeniert.

Non-Stop lässt Claus Guth es schneien. Der gemütliche Wohnraum wird für Natascha und Jan, Silvia und Peter, Jacques und Tanja zum Gefängnis. Sie reagieren unterschiedlich, ängstlich, depressiv, überdreht. Nur Jacques bleibt gelassen, weil er sich durch Tanja seiner verstorbenen Frau näher fühlt. fie Figuren harren nicht hypnotisiert  aus Sie beginnen sich zu bewegen, laut Programmheft inspiriert von Cormac McCarthys Roman „The Road“,  verlassen den Raum, der sich nach unten absenkt.

Raffiniert wandelt sich das  komfortable Bungalow-Appartement in ein Hochhaus mit nüchternem Treppenhaus. An verängstigten armen Menschen vorbei gelangen die  wie in einem surrealen Traum über die Dachluke auf die verschneiten Straßen, wo die Menschen unter dem Bann der Schnees der Dinge verharren, Brueghels Figuren sich in Zeitlupe  bewegen, sich die Zeitebenen verwischen.

Operkritik "Violetter Schnee" präsentiert von schabel-kultur-blog.de

©Monika Rittershaus

Als die Sonne durchdringt, zunächst wie eine  Sonnenfinsternis, dann violett, ist sie alles andere als ein Energiespender. Ob die Menschen überleben, bleibt offen. „Violetter Schnee“ oszilliert zwischen Weltuntergang und Neubeginn der ganz anderen Art, wird damit eine beklemmende Parabel des heutigen Zustands der Welt, nur statt im Zeichen der  Erderwärmung als Vereisung analog zur Kleinen Eiszeit im Mittelalter unserer Kulturgeschichte.

Vereisung spielt in „Violetter Schnee“ auch auf die  Isolation der Menschen an. Entsprechend sind die Gesangspartien von Beat Furrer ausgelegt. Jede Figur singt für sich als Ausdruck der Vereinzelung in überaus komplizierten Strukturen, individuellen Klangfarben, mit immer kürzeren Melodielinien, wie wie Eis immer mehr zersplittern, sich ins Klanggefüge einordnen, ohne stimmlich auszubrechen. Kein einziges Duett gibt es zwischen  Silvia (Anna Prohaska) und Peter (Georg Nigl), Natascha (Elsa Dreisig) und Jan (Gyula Orendt) und Jaques (Otto Katzameier), den Außenseiter. Tanja als Beobachterin erzählt nur, aber in Martina Gedecks rhythmisierten Sprache verwischen sich den ariosen Partien Grenzen, zumal  Sprache und Klänge immer mehr fragmentiert werden, bis sie sich in Sprachlosigkeit auflösen.

Diese Auflösungstendenz gilt auch für das Orchester. Überaus transparent von Matthais Pintscher dirigiert, entwickelt Beat Furrer zunächst analog  Brueghels Bild aus der Vogelperspektive aus kleinen musikalischen Kreisen eine detailreiche, durchaus in sich stimmige Weite, um sie  genauso wie die Gesangslinien  immer mehr aufzusplittern. Die Musik macht den Zerfall hörbar, ohne neue Visionen anzubieten. Das passt konzeptionell, bleibt als Hörerlebnis sehr letztendlich sehr gleichförmig.