©Monika Rittershausen
Groß ist die Bühne in der Deutschen Oper Berlin, doch durch die Holzvertäfelung wirkt sie eng. Wie im Gefängnis fühlt sich Silvana, Basilios zweite junge Frau, die der Schwiegermutter Eudossia ein Dorn im Auge ist. Ein paar Mägde sticken. Das Idyll trügt. Es braut sich ein spannendes Melodram auf…
Claudio Guastallas Libretto beruht auf der norwegischen Geschichte von Anne Pedersdotter, die 1590 als Hexe verurteilt und verbrannt wurde. Für „La fiamma“ wurde die Handlung wegen Respighis Faible für byzantinische Kultur in das 7. Jahrhundert nach Ravenna verlegt. Silvana, Tochter einer Hexe, wie sich später herausstellt, verliebt sich in ihren Stiefsohn. Als sie Basilio mit der Unzufriedenheit über ihre Ehe konfrontiert und er an einer Herzattacke stirbt, wird sie ebenfalls als Hexe beschuldigt und verurteilt.
Wozu holt man so ein Hexendrama wieder auf die Bühne? Respighis Opern wurden gefeiert, aber auch schnell vergessen, da er sich bewusst gegen die moderne Musik abgrenzte und im Gegensatz durch die Fusion unterschiedlicher Stilrichtungen von Monteverdi über die Romantik bis zum Verismo den Glanz der italienischen Oper wiederherstellen wollte, ohne sich dem faschistischen Zeitgeist anzudienen. Dieses „Juwel der Musikgeschichte entdeckt zu haben“ damit schmückt sich jetzt nicht zu Unrecht die Deutsche Oper Berlin.
Unter der musikalischen Leitung von Carlo Rizzi und der Regie von Christof Loy gelingt der Deutschen Oper in der Tat eine beeindruckende Reanimation, die „La fiamma“ auf die Bühne zurückholen könnte. Ohne große Ouvertüre, nur durch ein kurzes Vorspiel leuchtet die leidenschaftlich romantische Dramatik des Abends auf, musikalisch sparsam in den dialogischen und monologischen Abschnitten, martialisch in Kombination mit dem Chor. Loy und Rizzi arbeiten Hand in Hand, schaffen musikalisch und optisch ungeheure Spannungslinien und den Bogen in die Gegenwart. Hier wird nicht nur ein Einzelschicksal verwandelt, sondern auch die Manipulation der Massen, 1934 zumindest aus der Retrospektive ein großes Thema, und 2024 mehr denn je.
Die Regie reduziert optische Reize auf ein Minimum, umso wirkungsvoller sind sie. Die Mitwirkenden in schwarz gekleidet, nur die Mägde mit weißen Unschuldskrägen, Basilio und Donello in weißen Hemden, alle anderen inklusive Chor ganz dunkel, rücken die fulminanten Gesangspartien in den Mittelpunkt, vom Orchester empathisch untermalt. Es geht nicht um psychologische, sondern um emotionale Ausleuchtung. Das gelingt ausgesprochen gut durch das subtile Dirigat, das sängerische Potential und die präzise Personenregie.
Wie ein Feuer zündelt die Inszenierung bereits beim Streit zwischen Eudossia und Silvana. Es entwickelt sich schon am Ende des ersten Akts zum Flammenmeer mit dicken Rauchwolken bei der Hexenverbrennung Aganes’, der man den Tod eines Kindes unterschiebt. Brachial in Szene gesetzt agiert der mächtige Chor als Mob. Infernal tönt es aus dem Orchestergraben.
Ist das dramaturgisch noch zu steigern? Ja, der zweite Akt enthüllt über den sinnbildlichen Titel „La fiamma“ hinaus die tieferen emotionalen Schichten darunter. Die Kraft der Liebe ist das eigentliche Thema, die Silvana mit ihrem Stiefsohn Donello magisch verbindet. Als Donello aus der Fremde zurückkehrt, fühlt sich Silvana frei, sie kann wieder atmen. Die Bühne gibt einer groß projizierten Bergwiesenlandschaft Raum, wo sie als Kinder miteinander spielten. Selbst die Mägde sind begeistert vom galanten Donello, alias Tenor Georgy Vasiliev, denen er voller Lebensfreude flirtend mit roten Rosen den Hof macht. Monica, großartig von Sua Jo gesungen, würde für eine Stunde mit ihm ihr Leben geben. Das weiß Silvana zu verhindern. Sie macht den ersten Schritt auf Donello zu, zögert, weicht und kommt wieder. Zuerst brennt ein Leuchter dann zwei. als Symbol des Erkennens. In schwarzer Nacht beginnt es zu grünen. Wunderbar unterstreicht das Orchester diese leidenschaftlich poetische Szene am Ende des zweiten Aktes.
©Monika Rittershausen
Doch das Grün bleibt nur ein schmaler Streifen. Schwarz und graue Nebelwolken breiten sich aus. Die Ereignisse überstürzen sich bis zur bitteren Verfluchung Silvanas, die durch Selbstermächtigung von der Opfer in die Täterrolle rutscht. Olesya Golovneva liefert ein fulminantes Rollendebüt, obwohl sie, wegen einer Erkrankung eingesprungen, nur vier Wochen Zeit und keinerlei Vorlagen hatte, diese Figur neu zu entdecken. Sie präsentiert sie durch ihre kraftvollen Sopran und ihr expressives Spiel als moderne Frau, die selbstbewusst zu ihrer Liebe steht, radikal Hindernisse aus dem Weg räumt und von ihrer Unschuld zu überzeugen weiß, wäre nicht Eudossia, mit Martina Serafin ein gesanglicher Vulkan, die die Geistlichkeit, das Volk und selbst Donello gegen Silvana aufbringt.
Sängerische Akzente setzt Ivan Invervardis geschmeidiger Bariton, wodurch Basilio als einfühlsamer Ehemann trotz Silvanas Vorwürfen an Sympathie gewinnt. Manuel Fuentes durchdringender Bass-Bartion gibt dem Bischof die Aura inquisitorischer Macht. Der Chor ist fulminant. „La fiamma“ macht Lust auf mehr.
Künstlerisches Team: Carlo Rizzi (Musikalische Leitung), Christof Loy (Inszenierung), Herbert Murauer (Bühne), Fabrice Kebour (Licht, Jeremy Bines (Chöre), Christian Lindhorst (Kinderchor), Dramaturgie (Konstantin Parnian)
Mit: Olesya Golovneva (Silvana), Georgy Vasiliev (Donello), Ivan Inverardi (Basilio), Martina Serafin (Eudossia) , Doris Soffel (Agnese di Cervia), Monica (Sua Jo), Cristina Toledo (Agata), Martina Baroni (Lucilla), Karis Tucker (Sabrina), Caren Van Oijen (Zoe), Patrick Guetti (Exorzist), Manuel Fuentes (Bischof), Caitlin u.w. und Chor, Kinderchor und Orchester der Deutschen Oper
Am 7. Oktober gibt es von „La fiamma“ eine TV-Übertragung. Eine DVD wird publiziert.