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Berlin – Händels Oper „Hercules“ an der Komischen Oper – ein spannendes Eifersuchtsdrama

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Berlin – Händels Oper „Hercules“ an der Komischen Oper – ein spannendes Eifersuchtsdrama

©Komische Oper Berlin, Foto: Monika Rittershausen

Ein spitzwinkliges, leicht ansteigendes Bühnenviereck mit einem lila Sofa samt sitzender Herculesskulptur genügt, um das Kammerspiel der Eifersucht in seinen surrealen Abgründen in Szene zu setzen. Sängerisch, schauspielerisch und instrumental hervorragend besetzt wurde die Berliner Premiere wie 2023 bereits in Frankfurt zum Opernereignis.

Händel selbst hatte mit seinem „Hercules“ (1745) weniger Glück. Publikum und Kritiker fanden keinen Zugang zu seinem neuen Oratorium, das er selbst „Musikalisches Drama“ nannte, in dem er die englische Oper in der Landessprache mit den Da-Capo-Arien der italienischen fusionierte. „Hercules“ verschwand schnell von den Bühnen. Barrie Koskys Version könnte das ändern.

Ihn interessiert das Phänomen der Eifersucht Dejaniras und die damit verbundene Familiengeschichte, die er wie eine psychologische Aufstellung um die Herculesskulptur inszeniert, wobei durch seitliche Lichteffekte verzerrte Schatten die Übergänge ins surreal Traumatische assoziieren lassen. Hercules selbst, von Branden Cedel als Kraftkerl interpretiert, dessen Denken nur um Sieg und Ruhm kreist, spielt mit nur drei Arien eine Nebenrolle und ist so auch im Libretto verankert. Thomas Broughton, Shakespeare-Fan, schrieb es auf der Basis des neunten Buches der Metamorphosen des Ovid und Sophokles’ Tragödie „Die Trachinierinnen“, scheint aber deutlich von Shakespeares Othello-Mythos inspiriert gewesen zu sein. Er vertauschte die Rollen. Die Gattin mordet aus Eifersucht den Gatten. Weil Hercules die schöne Königstochter nicht zur Frau bekam, soll er ihren Vater Nesso getötet haben. Doch in Koskys Version ist nicht Hercules von Ioles Schönheit geblendet, sondern Dejanira. Sie kopiert optisch Iole, um jünger zu erscheinen und nervt Hercules von Eifersucht geplagt mit Vorwürfen. Mit Paula Murrihys klarem, kraftvollen Timbre und Penny Sofroniadous jugendlich frischem Sopran sind diese beiden Frauenrollen nicht nur sängerisch, sondern auch schauspielerisch hervorragend besetzt. Es sind Frauen von heute. Das gilt auch für Susan Zarrabi als Lichas, den Kosky wegen der zahlreichen Arien vom Diener zur Schwester des Hercules befördert, um das Familiendrama noch zu intensivieren.

Berlin - Händels Oper „Hercules“ an der Komischen Oper - ein psychologischer Krimi über die Eifersucht

©Komische Oper Berlin, Foto: Monika Rittershausen

Wie in der Antike bekommt der Chor eine ganz wichtige Rolle. Er agiert als Volk, kommentiert beobachtend das Geschehen und visualisiert in nächtlicher Abdunklung, grandiosen Unterleuchtungen und durch eine choreografisch raffiniert angelegte Bewegungssymbolik das Schattenreich der Ängste und Traumatisierungen als Kontrast zum taghellen Realismus des Eifersuchtsdramas. Dejanira mordet bei Händel ihren Gatten aus Versehen, indem sie ihm Nessos Hemd schenkt, das angeblich verloren gegangene Liebe wieder erwecken kann, das aber vergiftet ist und Hercules tötet. Händels „unschuldig schuldig“ hinterfragt Kosky durch eine kleine Geste. Er lässt Dejanira das Hemd mit zwei Zangen anfassen. Ein eindeutiger Beweis, dass sie um die giftige Substanz des Hemdes wusste, was allerdings in der Inszenierung etwas aufgesetzt und unlogisch wirkt, letztendlich nichts an der Tragödie ändert. Hercules stirbt qualvoll und kann ruhmreich in den Götterhimmel zurückkehren. Dejanira verfällt in Wahn, 95 Jahre vor Donizettis Wahnsinnsarie in „Lucia di Lammermoor“, die erste Wahnsinnsarie der Operngeschichte und stirbt. Angesichts dieser Familientragödie willigt Iole in die Ehe mit Hercules‘ Sohn Hyllus ein, ein unerwartetes Happyend, eine Hommage an die Vernunft der Jugend.

Auch in den kleinen Rollen, Caspar Singh als Hyllus, Noam Heinz vom Opernstudio als Priester, Martin Fehr und Taiki Miyashita als Chorsolisten, ist dieser „Hercules“ ein sängerisches Erlebnis. 

Genauso lässt das Orchester der Komischen Oper unter dem feinfühligem Dirigat von David Bates aufhorchen. In den ersten Minuten noch etwas rau entwickelt sich schnell der geschmeidige Klang der historischen Instrumente. Wunderbar korrespondieren die Streicher, Kontrabass, Cembalos mit den SängerInnen. Sehr subtil gespielt verzaubert der Klang der beiden Theorben. David Bates weiß um die Kunst des Pianos und der Stille der Generalpausen, in der die Inszenierung Raum gibt zur psychischen Verdichtung. 

Künstlerisches Team: David Bates (Musikalische Leitung), Barrie Kosky (Inszenierung), Katrin Lea Tag (Bühne, Kostüme), Joachim Klein (Licht), David Cavelius (Chöre), Zsolt Horpácy Johanna Wall (Dramaturgie) 

Mit: Brando Cedle (Hercules), Paula Murrihy (Dejanira), Penn Sofroniadou (Iole), Caspar Singh (Hyllus), Susan Zarrabi (Lichas), Noam Heinz (Priester), Martin Fehr, Taiki Miyashita (Chorsolisten) und dem Orchester der Komischen Oper