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Berlin – Gerd Natschinskis heiteres DDR-Musiktheater „Messeschlager Gisela“ im Zelt am Roten Haus – eine Produktion der Komischen Oper

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Berlin – Gerd Natschinskis heiteres DDR-Musiktheater „Messeschlager Gisela“ im Zelt am Roten Haus – eine Produktion der Komischen Oper

Berlin – Gerd Natschinskis heiteres DDR-Musiktheater „Messeschlager Gisela“ im Zelt am Roten Haus – eine Produktion der Komischen Oper

Die Komische Oper weiß zu unterhalten! Immer auf der Suche nach originellen Stücken wurde jetzt als Highlight zum Abschluss der ersten Saison ohne Stammhaus, das umgebaut wird, vor dem Roten Rathaus ein neuer Bühnenort errichtet. Im Zelt versteckt hinter einer alpenländischen Holzfassade geht mit Gerd Natschinskis heiterem DDR-Musiktheater „Messeschlager Gisela“ die Post ab, ein Genre, das längst auf seine Wiederentdeckung wartet…

©Komische Oper Berlin, Foto: Jan Windszus

In der DDR versuchte man mit „Heiterem Musiktheater“ an die Vorkriegsoperette anzubinden und gleichzeitig deren Modell der „bourgeoisen“ Gesellschaftsordnung durch den gewünschten sozialistischen Realismus zu ersetzen. Gerd Natschinski (1928 – 2015) gehörte mit 13 Musiktheatern, 70 Filmmusiken und Hunderten von Liedern, Schlagern und Chansons zu den bedeutendsten Komponisten der DDR. „Messeschlager Gisela“ (1960) ist sein Highlight. 

Das Stück erzählt von der Karriere einer kleinen Angestellten im „VEB Berliner Schick“. Nicht das kapriziöse, die Pariser Haute Couture imitierende „Melonen“- Modell des Chefs wird zum Messeschlager in Leipzig, sondern Giselas unprätentiöses, aber schickes Etuikleid, mit dem man morgens in die Sitzung und abends zum Tanzen gehen kann. Aufgemischt mit vier sich kreuzenden Liebesbeziehungen gelingt eine witzige Geschichte, in der menschliche Egozentrik den gesellschaftlichen Fortschritt unterminiert. 

„Messeschlager Gisela“ ist ein Blick zurück auf die Anfänge der DDR vor dem Mauerbau. VEB-Chef Kuckuck darf zwar noch seine Sekretärin, Fräulein Kulicke als Modespionin ins KaDeWe nach West-Berlin schicken, aber seine Reise nach Paris wurde bereits gecancelt. Ein Jahr nach der Premiere begann mit dem Mauerbau die Abschottung der DDR Richtung Westen und „Messeschlager Gisela“ durfte wegen seines unkomplizierten Umgangs mit dem Reisen nicht mehr aufgeführt werden, wodurch das „heitere Theaterstück“ zum interessanten kulturell-politischen Zeitdokument der DDR-Ära wird. 

Die BesucherInnen erwartet ein sehr heiteres, nostalgisches Stück über den Alltag der Werktätigen in der DDR, der sich 1960 noch gar nicht so stark vom Westen abhebt. Auch in der BRD wurden unverheiratete Frauen als Fräulein tituliert, waren weibliche Verführungskünste ein Mittel Karriere zu machen und die berufliche Benachteiligung der Frauen offensichtlich. Wesentlich fortschrittlicher zeigt sich DDR bei der Diskussion in Führungspositionen. Dass Regisseur Ranisch einen Werkarbeiter zur „Inge“ macht, peppt das amouröse Durcheinander zwar noch etwas auf, entspricht aber nicht der Realität. In der DDR wurde Homosexualität öffentlich bis in die 1980er Jahr kriminalisiert. Ansonsten wirkt die Ranischs Inszenierung durch die  optische Verortung Anfang der 1960er Jahre sehr authentisch. 

Natschinski "Messeschlager Gisela" in der Komischen Oper Berlin präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Komische Oper Berlin, Foto: Jan Windszus

Bei den Texten aus der Feder von Jo Schulz (1920-2007), Schriftsteller, Kabarettist, Drehbuch- und Bühnenautor darf berlinert werden. Ein Kalauer, ein Klischee folgt dem anderen, dazwischen flott getextete und komponierte Songs quer durch die Rhythmen der Standardtänze, am mitreißendsten, wenn die Orchesterformation der Komischen Oper jazzig swingt, und am klangschönsten, wenn die Holzbläser Herzensstimmungen vertonen. 

Unter der humorvollen Regie von Axel Ranisch und der flotten musikalischen Leitung von Adam Benzwi wird „Messeschlager Gisela“ zu einem spritzigen und mitreißenden Unterhaltungsabend, zumal man das Bühnengeschehen durch die Zeltstruktur und die kreisrund endende Laufstegbühne ganz nah miterlebt, weil ChorsängerInnen und TänzerInnen immer wieder radial von allen Seiten an den Zuschauerreihen vorbeitanzen. In den Hauptrollen brillieren Gise Flake (Angestellte Gisela), Thorsten Merten (Chef Kuckuck), Andreja Schneider (Stellvertretende Chefin Puhlmann) überstrahlt von Maria-Danaé Banse (Chefsekretärin Fräulein Kulicke). Sängerisch und tänzerisch wird sie zum Knaller der Inszenierung. Das Publikum ist begeistert. Schade, dass „Messeschlager Gisela“ nicht ins Repertoire aufgenommen wird. 

Künstlerisches Team: Adam Benzwi (Musikalische Leitung), Axel Ranisch (Inszenierung), Christopher Tölle (Choreographie und Co-Regie), Saskia Wunsch (Bühnenbild), Alfred Mayerhofer (Kostüme), Johanna Wall (Dramaturgie), David Cavelius (Chöre), Licht (Johannes Scherfling), Nigel Watson (Dance Captain, Mitarbeit Choreografie) 

Mit: Gisa Flake (Gisela), Andreja Schneider (Emma Puhlmann), Thorsen Merten (Robert Kuckuck), Maria-Danaé Bansen (Marghueritta Kulicke), Johannes Dunz (Heinz Stubnick), Nico Holonics (Fred Funke), Theo Rüster (Inge), Martin Reik (Priemchen), Anja Kirov-Vogler (Reporterin) und dem Orchester, Chor und Tanzensemble der Komischen Oper