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Landshut /Passau – 3. Sinfoniekonzert mit Uraufführung von Ektoras Tartanis’ „Niemandsrose“

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Landshut /Passau – 3. Sinfoniekonzert mit Uraufführung von Ektoras Tartanis’ „Niemandsrose“

©Landestheater Niederbayern, Foto: Peter Litvai

Das Programm ist vielversprechend, die Interpretation großartig. Mit dem 3. Sinfoniekonzert begeistert…

Dirigent und Komponist Ektoras Tartanis das Publikum und beweist sein Talent hochdramatische Musik mit lyrischen Passagen überaus spannend und klangschön zu interpretieren. Gekonnt fügt er seine Eigenkomposition „Niemandsrose – Sieben Orchesterlieder nach Lyrik von Paul Celan für Bariton und Orchester“, zum ersten Mal in Niederbayern zu hören, zwischen Johannes Brahms’ „Tragischer Ouvertüre op. 81“ und Peter Iljitsch Tschaikowskys „Symphonie Nr. 4 in f-Moll op. 36“ ein. Das tragische, wuchtige Aufbäumen in sich steigernder Wiederholungsstrukturen kombiniert mit ganz subtilen poetischen Melodien fungiert als roter Faden in diesem Konzert. Dieser Spannungsbogen wird von der Niederbayerischen Philharmonie unter Tartanis’ Dirigat ausgesprochen klangschön herausgearbeitet 

Zwei heftige Akkorde bilden den furiosen Konzertauftakt mit Brahms’ „Tragischer Ouvertüre op. 81“ (1880). Es folgt ein dialektisches Hin und Her zwischen Fulminanz, Poesie und Festlichkeit durch die unübliche Besetzung mit Horn und Posaune, weshalb Brahms die ursprünglich „dramatisch“ geplante Ouvertüre als „tragische“ titulierte. Zwischen erstem und zweitem Thema nimmt Brahms sich durch kolorithafte Nebenthemen und unterschiedliche Tempi die Freiheit zum Experimentieren, ohne die traditionelle Form zu ändern. Überaus präzise und plastisch kristallisiert das Orchester die unterschiedlichen Rhythmen heraus im ersten Satz trauermarschartig, im dritten scherzohaft.

Inspiriert von Paul Celans düster verschlüsselten Gedichten infolge von dessen Grenzerfahrungen während des Holocausts, leuchtet Tartanis in seiner Komposition „Niemandsrose“, benannt nach Celans Gedichtband (1963), die Extreme seelischer Zustände in apokalyptischen Situationen aus. Eisklirrende aushauchende Lebensenergie wechselt mit infernalischem Weltuntergang. Flirrend helle Tonlinien, Symbole der Poesie und Hoffnung leuchten auf und verlöschen. Tonales Pochen im Hintergrund macht Bedrohung hörbar. Tiefgründige Klangschwere und aufsteigende Töne entwickeln sich zu fulminanten Eskalationen. Ein ungewöhnliches Harfensolo zunächst volkstümlich klingend, dann in aufsteigenden Tönen erhellt das Szenario kurz, dem final ein euphorisch fanfarisches Geschmetter folgt und, wie bei Celan, ein „aufrechtes Schweigen“, bevor applaudiert werden darf. 

Durch die orchestrale Komplexität und interpretatorische Dynamik ist die Partitur für den Sänger eine Herausforderung. Solist Georg Klimbacher, international erfolgreicher Sänger der jüngeren Generation, meistert sie mit Bravour. Brandet das Orchester zuweilen über seinen wohlklingenden Bariton hinweg, dramaturgisch anscheinend so gewollt als Ausdruck existenzieller Untergangsszenarien, schließlich steht der Komponist selbst am Pult. Dabei geht allerdings der textliche Bezug größtenteils verloren. Zum Mitlesen, wie es Tartanis bei der kurzen Begrüßung empfiehlt, ist es zu dunkel. Eine Übertitelung wäre sinnvoll gewesen. 

Tschaikowskys „4. Symphonie Nr. 4“ bildet den Höhepunkt des Abends. Komponiert mit 37 Jahren, als er sich wegen seiner Homosexualität in einer menschlichen Krise empfand, ist dieses Werk ein Spiegelbild seiner Seelenlage, in der kleine Hoffnungsschimmer immer wieder mit brachialer Gewalt von außen zerschnitten werden. Im extremen Fortissimo stimmen die Blechbläser gleich zu Beginn fanfarisch bedrohlich auf Krisenmodus ein. Generalpause und noch einmal ein wuchtiges Fortissimo. Aus der Stille entwickelt das Fagott eine klangschöne fragile Melodie. Sie wird solistisch von der Klarinette und Querflöte erweitert, gewinnt über die Streicher eine hoffnungsvolle Kraft und zerschellt doch ganz unvermittelt an den Trompeten. Im Wechselspiel von Solisten, Instrumentalgruppen und Orchester werden unterschiedliche Stimmungen hörbar, fröhlich verspielt, tänzerisch übermütig mit Trillern dekoriert, melancholisch oder depressiv, immer wieder überrollt vom Fortissimo der Blechbläser und wuchtigen Pauken, die final an das Schicksalsthema anknüpfen und jegliche Poesie unterbinden. Dabei wird deutlich, wie klangschön, klar und differenziert, rhythmisch präzise und expressiv dynamisch sich die Niederbayerische Philharmonie unter Tartanis’ Dirigat weiterentwickelt hat. Das Publikum bedankte sich mit Standing Ovations.