©Studiokanal GmbH, Aliocha Merker, Marc Reimann
„Ich bin nicht Stiller!“ Der Satz wurde in den 1950er Jahren Kult und „Stiller“ zum Symbol…
persönlicher Identifkationskrisen. Max Frisch gelang mit seinem Roman „Stiller“ der literarische Durchbruch. Jetzt präsentiert Stefan Haupt eine Verfilmung des sperrigen Werks. Max-Frisch-Fans monieren die Unvollständigkeit, weil Haupt zusammen mit Alex Buresch, das Drehbuch auf den ersten, tagebuchartigen Teil beschränkt und den zweiten Teil, das Nachwort einfach weglässt, geschrieben aus der Perspektive des Staatsanwalts über Stillers weiteren Lebensweg. Reduziert auf wenige Protagonisten fehlen mit den Nebenfiguren auch viele damit verbundene Aspekte und die Weiterentwicklung Stillers. Das Ergebnis wird dem Roman nicht gerecht, ist aber dennoch ein eindringliches Psychogramm über den Versuch, ein Leben neu zu starten.
Stiller, ein erfolgversprechender Bildhauer, und Julika, Balletttänzerin verlieben sich und heiraten. Je erfolgreicher sie ist, desto unterlegener fühlt er sich. Er denkt an Nachwuchs, sie nur an ihre Karriere. Als sie Tuberkulose bekommt, bricht für sie die Welt zusammen. Er, absolut von der Situation überfordert, beginnt eine Affäre mit Sibylle, der Frau eines Staatsanwalts, die jedoch ihrerseits schnell endet. Stiller verschwindet. Nach Jahren wird James White bei der Einreise in die Schweiz verhaftet. Man hält ihn für Stiller, der wegen Spionage für den Osten gesucht wird. Obwohl alle in White Stiller erkennen wollen, entkräftet er alle Argumente.
Der Film beginnt mit der Verhaftung Whites. Aus Rückblenden offenbart sich Stillers Biografie, mit der White nichts zu tun haben will. Dieses Wechselspiel um die wahre Identität Whites und die erstklassige Besetzung machen den Charme des Films aus. Durch die physischen Kongruenzen von Albrecht Schuch (White) und Sven Schelker (Stiller) verschmelzen Gegenwart und Erinnerung. Doch durch die komplett unterschiedliche psychische Ausstrahlung der beiden bleibt die Ambivalenz, ob White nun Stiller ist oder nicht, bis zum Schluss erhalten. Selbst Julika, Paula Beer spielt sie bezaubernd als zerbrechliche, doch sehr stringente jung und jung gebliebene Frau, schwankt in ihrer Meinung über James White hin und her, den Schuch sehr facettenreich, mit liebenswürdiger Süffisanz in Szene setzt. Kein Wunder, dass Julika unsicher wird. Umso größer ist der Schock, als sich final durch ein kleines, im Drehbuch erfundenes Detail die eindeutige Identität von White und Stiller herausstellt.
Ist Stiller geläutert? Wohl kaum, immer noch malträtieren ihn Schuldgefühle. Im Spanischen Bürgerkrieg konnte er als Soldat keine Gegner töten. Er fühlt sich deshalb nicht als Mann und erzählt erfundene Männlichkeitsgeschichten, denen allerdings nur der naiv pausbäckige, nichtsdestotrotz sehr sympathische Gefängniswärter Knobel (Marius Ahrendt) begierig lauscht.
Trotz seiner geistigen Kapazität ist Stiller sich selbst gegenüber ein Fremdling geblieben, der nach den Ursachen sucht, wobei er sehr kritisch die gesellschaftliche Engstirnigkeit der Schweiz anprangert. Die bürokratischen Hürden im Gefängnis sind der beste Beweis.
Daneben kristallisiert sich immer stärker die Frage heraus, wieso sich Liebe immer wieder in Zerwürfnis wandelt. Der Staatsanwalt und seine Frau Sibylle leben es vor, wie sich ein Paar trotz Seitensprung wieder findet. „Ich sah einfach ein, dass sie nur sie, die Frau für mich war.“ Stiller und Julika gelingt das nicht. White ist immer noch der alte Stiller, der vor Wut explodiert. Er verzweifelt daran, selbst sein zu wollen und doch immer nur Rollen zu spielen“. Insofern ist „Stiller“ immer noch sehr aktuell.
Künstlerisches Team: Stefan Haupt (Drehbuch, Regie), Alex Buresch (Drehbuch), Michael Hammon (Chef-Kameramann), Franziska Köppel (Chef-Cutterin)
Mit: Albrecht Schuch (James Larkin White), Paula Beer (Julika, Stillers Frau) , Sven Schelker (Anatol Ludwig Stiller), Maximilian Simonischeck (Staatsanwalt Rolf Rehberg), Marie Leuenberger (Sibylle Rehberg, Marius Ahrendt (Knobel), Stefan Kurt (Dr. Bohnenblust), Martin Vischer (Sturzenegger) u.a.













