Jordan Scott „Berlin Nobody“ – ein Klima-Sekten-Thriller

Filmkritik "Berlin Nobody" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Jordan Scott „Berlin Nobody“ – ein Klima-Sekten-Thriller

Leichen werden in Berlin gefunden. Ohne Gewaltanwendung, nur mit Ruß auf der Wange, ein Geheimzeichen wie eine Hostie im Mund steht die Verfassungsschutz-Ermittlerin Nina Hoffmann vor einer großen Herausforderung. Gleichzeitig lernt sie den renommierten Sozialpsychologen Ben Monroe kennen, der über das Phänomen Gruppendynamik forscht und über einen ehemaligen Studienfreund Zugang zu schwierigen Mordfällen bekommt, die für sein neues Buch „Die Macht der Gruppe“ relevant sein könnten. Bens Tochter Massy aus der geschiedenen Ehe reist aus Kalifornien an, um ein halbes Jahr in Berlin bei ihrem Vater zu leben. Sie lernt einen sympathischen Jungen kennen und über ihn eine Umweltsekte, deren Motto es ist. „Wir sind da die Mutter Erde zu retten“…

©SquareOne Entertainment

Aus diesem Setting nach Nicholas Hoggs Roman „Tokyo Nobody“ entwickelt Drehbuchautorin und Regisseurin Jordan Scott, die Tochter des Filmproduzenten Ridley Scott, einen Thriller, der die derzeitige Hysterie um die Rettung der Welt auf die Spitze treibt. Radikale Opfer sind notwendig. Angesichts der globalen Überbevölkerung ist der Suizid die beste und einzige Möglichkeit nachhaltig etwas Gutes für die Erde zu tun. „Aufopferung ist Erlösung“ von den Traumata unserer Gesellschaft. Was nach Satire klingt, wird im Film zum Tatort über Berlin hinaus überall und jederzeit vorstellbar, auch wenn der Film durch den Berliner Fernsehturm, Straßenszenen aus Kreuzberg und Techno-Kultstätte Berghain verortet ist. 

Durch harte Schnitte und eine meist düstere Hintergrundatmosphäre, durch Nacht- und Unterwasseraufnahmen baut der Film eine dystrophe Stimmung auf, in der das Zentrum der Sekte hell, in priestermäßiger Ästhetik aufleuchtet und im Kreis der einsamen und traumatisierten Anhänger jeder Satz zur Heil verkündenden Formel wird. Der Blick vom Berliner Tierpark als Naturparadies Richtung Fernsehturm verwandelt sich zum Sinnbild dieser Sektenlehre, die die Natur über den Menschen stellt.

Obwohl das Kinoplakat trivial ist, der Titel „Berlin Nobody“ nur an Berlins hippen Image anbindet, die Story für Thrillerliebhaber leicht durchschaubar ist, lohnt es sich den Film anzuschauen. Was den Film interessant macht, ist das relativ schnelle Abgleiten der Menschen in eine völlige Abhängigkeit und die bedingungslose Unterwerfung unter ein Dogma, um dem vereinsamten Leben einen Sinn zu geben. Doch wer in diesem System gegen die Regeln verstößt, kann sich kaum noch befreien, wobei Theaterschauspielerin Sophie Rois die Ambivalenz dieser Sektenführerin zwischen Verständnis und abgrundtiefem Machtbedürfnis sehr überzeugend transportiert. Das alles war schon einmal durch „Hare Krishna“, „Kinder Gottes“ und „Bhagwan“ in den 1970er Jahren sehr aktuell und bedrohlich. Heute nimmt der Klimafanatismus sektenartige Züge an.

Künstlerisches Team: Jordan Scott (Drehbuch, Regie)

Mit: Eric Bana (Vater), Sadie Sink (Tochter), Sylvia Hoeks (Ermittlerin), Stephan Kampwirth (Studienkollege), Jonas Dassler (Martin), Sophie Rois (Sektenführerin)