©Constantin Film, 2022
Doris Dörrie weiß mit subtilen Stimmungen umzugehen, weniger mit schnellem Tempo und leitmotivischen Knallern, die letztendlich eine gelungene Komödie ausmachen, die im Trailer versprochen wird. „Wo ist die Freiheit?“ Das Motto des Soundtracks geht Baden, wenn die Weiblichkeit im Schwimmbad unisono nach dem Bademeister schmachtet. Selbst in den nächtlichen Szenen, in denen nach jedem Tag im Freibad stimmungsvoll immer mehr bunt leuchtende Schwimmreifenenten friedlich nebeneinander treiben, überragt am Schluss ein Macho das Szenario. Den Zeitgeist trifft Doris Dörrie, so stimmungsvoll die strukturierten Zwischensequenzen auch sind, damit nicht. Über derartige Klischees sind wir schon hinweg. Im Alltag posieren eher die Männer.
Doris Dörrie dient das Freibad als Kampfplatz um das private Revier. Jede Frau ist sympathisch gezeichnet, doch die Sympathie füreinander müssen sie erst entdecken.
Die weiße Fraktion verbindet der Frust um den eigenen Körper, amüsant gespielt von Maria Happel als Gabi und von Andrea Sawatzki als Eva, die als einstige Uschi Obermaier von Giesing die freizügige Nostalgie der Schwabinger Zeiten ironisiert aufleuchten lässt.
Der türkische Frauenclan in Blicknähe gibt sich westlich. Die Mutter trägt Bikini und regt sich über den Neopren-Anzug ihrer sportlichen Tochter Yasemin (Nilam Farooq) auf, die sie doch anders erzogen zu haben glaubte. Man zeigt Haare, raucht, grillt, was natürlich verboten wird, wie überhaupt ständig etwas verboten wird. Auch der Bub, noch ein Kind, mit Kopftuch als Mädchen getarnt, fliegt aus dem Schwimmbad.
Freiheit im Freibad, Evas einstiger Lieblingssong, gibt es nicht. „Ich entscheide, was ich will“ ist die Losung trotz aller Regeln im Schwimmbad. Eva pinkelt ins Wasser, Maria schmuggelt im Kinderwagen heimlich ihren Hund ins Freibad Die Situation kulminiert als syrische Frauen aus der Schweiz angereist das Freibad für sich entdecken. Am nächsten Tag sind es statt zwei schon vier Kleinbusse, eine Burka-Invasion mit Gucci-Taschen. Die Eintrittspreise steigen horrend. Es gibt nur noch Lammwürstchen, weil sie nicht neben Schweinswürsten gegrillt werden dürfen, eine gelungene, wenn auch durch entsprechende Theaterversionen schon abgegriffene Komik-Metapher für Überfremdung und Verdrängung. Verbale Provokationen, falsch gehört und interpretiert, explodieren im Nahkampf und dann noch Kacka im Pool, nicht von einer Frau, sondern von Gabis Hund. Bademeisterin Steffi, ein Barbypüppchen mit dunkler Hautfarbe, ist völlig überfordert und wirft das Handtuch. Als ein Bademeister als letzte Rettung engagiert wird, um den Badebetrieb aufrecht zu erhalten, rutscht die Komödie total ins Klischee. Doch die Frauen buhlen umsonst um seine Aufmerksamkeit. Er interessiert sich nur für aquatische Wesen in der Literatur, selbst Yasemin als Nymphe ihre Bahnen schwimmend blitzt ab. Die sportliche Betreiberin des Schwimmbads erobert ihn durch beiderseitige Freude am Muskelaufbautraining. Kontrastfigur Paula im XXXL-Format wegen ihrer Figur und heller Haut bewundert findet in der Würstl grillenden Queerlady ihre Herzallerliebste und Yasemin wird die neue, resolut durchgreifende Bademeisterin. Zumindest aus der Vogelperspektive stellt sich im Nachspann Idylle pur im Freibad ein. „Dream A Little Dream Of Me“ mehr nicht.
Künstlerisches Team: Doris Dörrie (Regie), Doris Dörrie, Karin Kaçi, Madeleine Fricke (Ko-Drebbuch), Hanno Lentz (Kamera)
Gespielt von Maria Happel, Andrea Sawatzki, Nilam Farooq, Melodie Wakivuamina, Lisa Wagner, Julia Jendroßek, Sabrina Amali, Nico Stank