"Kultur macht glücklich"


Céline Sallettes Filmporträt „Niki de Saint Phalle“

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Céline Sallettes Filmporträt „Niki de Saint Phalle“

©Neue Visionen Filmverleih, 2024

Durch ihre „Nanas“ wurde Niki de Saint Phalle (1930 – 2002) international berühmt. Céline Sallettes Filmporträt zeigt nicht die erfolgreiche Künstlerin, sondern…

deren schwierige Lebenssituation in 1950er Jahren, die sie zur Künstlerin machte. Der Film beginnt, als Niki de Saint Phalle mit Mann und Baby von USA nach Paris umsiedelt, als Model und Schauspielerin arbeitet. Wunderschön im Königinnen-Outfit mit Diadem im Haar, aber mit irritierend distanzierter Aura befolgt sie die Anweisungen des Fotografen, hat kurz darauf bei einer Theaterprobe einen Hänger und schiebt die verkackte Windel samt Laken unter das Bett. Sie versteckt Messer und Beile, rennt vor einer Skulptur im Louvre entsetzt davon. Unter der heiter harmonischen Familiensituation brodelt etwas ganz gewaltig, was Niki de Phalle zu verdrängen gelernt hat. 

Schließlich wird sie wegen eines Nervenzusammenbruchs in eine Irrenanstalt eingeliefert, mit Elektroschocks behandelt, ist aggressiv und destruktiv, sucht nach einer Aufgabe und findet sie in künstlerischer Tätigkeit. Erst ein Brief ihres Vaters erklärt, warum sie ist, wie sie ist. Mit 11 Jahren wurde sie von ihm missbraucht. Der Arzt verbrennt den Brief, das einzige Dokument, das Niki de Saint Phalles Psychosen erklärt. Sie wird entlassen, bekommt ein zweites Kind. Das Familienleben wird eingetrübt durch gegenseitige Seitensprünge und abfällige Bemerkungen über ihre Hausfrauenkunst. Niki de Saint Phalle verlässt die Familie, widmet sich ganz ihrer Kunst. Diese wird zum Heilmittel die Dämonen der Vergangenheit im Zaum zu halten. Der Schweizer Bildhauer Jean Tinguely (Damian Bonnard), ihr späterer Ehemann, ist der einzige, der sie auf ihrem schwierigen Weg unterstützt. Sie wagt endlich das eigene Ich zu leben. „Niki zieht in den Kampf“ so das letzte Kapitel dieses Films. Nikis Bilder bluten für das erlittene Unrecht.

Die kanadische Schauspielerin Charlotte Le Bon, Niki de Saint Phalle äußerlich sehr ähnlich, spielt mit entwaffnendem Charme die vielseitigen Facetten dieser außergewöhnlichen Künstlerin, die später durch ihre Nanas berühmt wurde. In harten Schnitten kreist die Kamera um die Wunden dieser Frau. Blitzartig tauchen Bilder aus der Vergangenheit auf, aus denen sich ganz langsam das Geschehene in der Vergangenheit erschließt. Die Kamera folgt dem Mädchen auf dem Weg zu einer Holzhütte, wo es, von unbekannter Hand gezogen, verschwindet. Der Rest bleibt der Phantasie der Zuschauer überlassen. Kein Wunder, dass Niki de Phalles Kunst immer destruktiver wird. Gleichzeitig hypt sie der Zeitgeist aus Müll Kunst zu machen und das neue Image der Künstler als Terroristen. Dass es anderen Menschen ähnlich geht, entdeckt sie, als ein junger Mann bei einer ihrer Performances in memoriam an seinen Vater alle Farbpfeile auf einmal auf eine Leinwand schleudert. Doch wie entwickelt sich Niki de Saint Phalle als Künstlerin? Nur Rückseiten von Bildern, Arbeitsmaterialien, zertrümmerte Teller sind zu sehen, kein einziges Werk. Eine elegante Art neugierig zu machen auf „Niki de Saint Phalle – die Künstlerin“. 

Wer nicht so lange warten will, bis ein derartiger Film gedreht wird, kann sich ab 6. September 2025 im Sprengel Museum Hannover die Ausstellung „Niki. Kusama. Murakami. Love you for Infinity“ vormerken. Niki de Saint Phalle hat dem Museum ihren Nachlass von 400 Werken geschenkt.

Ab heute ist „Niki de Saint Phalle“ in den deutschen Kinos zu sehen.

Künstlerisches Team: Céline Sallette (Drehbuch, Regie), Samuel Doux (Drehbuch), Victor Seguin (Kamera)

Mit: Charlotte Le Bon (Niki de Saint Phalle), John Robinson (Harry Matthews, Erster Ehemann), Damian Bonnard (Jean Tinguely, zweiter Ehemann) u.a.