©Langen Müller Verlag, 2022
Der Club of Rome sagte in seinem mit dem Preis des Deutschen Buchhandels ausgezeichneten Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ 1971 voraus, dass im Jahr 2000 China in Armut verharren werde, das Sozialprodukt in Japan doppelt so hoch wie in den USA sein werde und die Sowjetunion die BRD überholen würde. Ein wunderbares Beispiel für Thilo Sarrazins Hinterfragung schwarz malender Spekulationen. In Folge zitiert er Perikles (5. Jh. v. Chr.) „Es ist nicht unsere Aufgabe, die Zukunft vorherzusagen, sondern gut auf sie vorbereitet zu sein.“
Wohin eine Gesellschaft zielt, bestimmen die Menschen und diese sind von unterschiedlichsten Interessen geprägt. Eine offene Gesellschaft lässt diese Freiheit zu und funktioniert am besten, wenn gemeinsam getroffene Regeln eingehalten werden. Diesbezüglich bieten die derzeitige gesellschaftspolitische Situation ein Eldorado kritischer Beobachtungen in den Bereichen Bildung und Sprache, Umwelt und Energie, Verteidigung und Mächtebündnisse. Kann sich ein Industriestaat nur von Wind- und Sonnenenergie versorgen? Kann Pazifismus innerhalb der globalen Großmächte realisiert werden. Sarrazin denkt rational. „Eine Gesellschaft kann nur überleben, wenn sie wehrhaft ist.“ Nicht von ungefähr haben faschistische Autokraten Hochkonjunktur. Geschlossene Gesellschaften geben insbesondere in Krisenzeiten Geborgenheit und Sinngebung durch ein einfaches geschlossenes Weltbild.
Thilo Sarrazin hinterfragt die Werte „Gut“ und „Böse“ als „Vermutungswissen“. Für ihn sind es Kategorien, die sich je nach Kultur und Zeitgeist wandeln. Er bevorzugt die Kategorien „Richtig“ und „Falsch“, die an der Wirklichkeit zu messen sind und von realen Fakten falsifiziert werden. Um über den kritisch-rationalen Blick zur objektiven Kenntnis zu kommen, setzt er sich mit einem breiten Spektrum von Themenkomplexen auseinander, mit dem Unterschied von Vernunft und Gefühl, mit den Folgen der offenen Gesellschaft und der Evolution des Menschen, mit dem Zusammenhang von Intelligenz und Erblichkeit. Er offeriert ideologische Mechanismen in Religion, Kunst und Kultur, Wissenschaft und Philosophie bis hin zur Ideologie als Religionsersatz, was natürlich auf soziale, politische und internationale Ordnungen Auswirkungen hat. Die Ideologisierung beginnt schon bei der Sprache, durch die vom Mainstream abweichende Meinungen rechts- oder linksextremistischen Haltungen zugeordnet werden, was einen rationalen Disput sehr erschwert.
Die großen Problemfelder sieht Thilo Sarrazin in der Überalterung der Gesellschaft, im sinkenden Bildungsniveau, den damit verbundenen Einbußen beim technischen Fortschritt, in der Wissenschaft und produktiven Leistung und die kulturelle Überfremdung im eigenen Land. Ethnopluralismus führt überall auf der Erde zu Spannungen und ist am besten durch räumliche Trennung zu vermeiden. Eine kritische Haltung gegenüber Multikulturalismus ist weder verfassungsfeindlich noch rassistisch. Thilo Sarrazins Quintessenz ist einleuchtend „Richtiges Denken ist weder rechts noch links, sondern rational.“
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Thilo Sarrazin: „Die Vernunft und ihre Feinde. Irrtümer und Illusionen ideologischen Denkens“, Langen Müller Verlag, München, 2022, 240 Seiten, 25 Euro
