"Kultur macht glücklich"


Philipp Blom  – „Hoffnung. Über ein kluges Verhältnis zur Welt“

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Philipp Blom  – „Hoffnung. Über ein kluges Verhältnis zur Welt“

©Hanser Verlag, 2024

Kann man noch hoffen in einer Welt, in der die Angst vor der Zukunft nur noch das Bestehende beschützen will und…

jeglicher Mut für der Veränderungen verloren gegangen ist? Dieser Frage spürt Philipp Blom in seinem Buch „Hoffnung“ nach und entwickelt dabei „ein kluges Verhältnis“ zur Welt. 

Der Besuch eines kolumbianischen Mahnmals gegen die Gewalttätigkeit der Rebellen inspiriert blom zu der Fragestellung, wie Menschen angesichts erlittener Gewalt weiterleben und noch hoffen können und umgekehrt Menschen, die in wohlhabenden Staaten leben, ohne Hoffnung sind. Um Hoffnung wieder möglich zu machen, analysiert er zuerst, die Parameter der Hoffnung, woraus er sehr überzeugend die Bedingungen für Hoffnung ableitet.

Das Glück entlang des Wirtschaftswunders gelebt zu haben gibt es nicht mehr. Die Gesellschaftsmodelle des Kapitalismus, Liberalismus und Sozialismus zeigen immer mehr ihre Schattenseiten. Wachstum ist nicht mehr möglich und die Menschen in den ehemaligen Kolonien leiden unter neuen Ausbeutungsstrategien. Blom veranschaulicht an den Coups im Nordwesten der USA, wie einem Indianervolk nicht nur die Büffel, das Land, sondern auch seine Geschichten und Heldentaten für immer verloren gingen. Mit dem gegenwärtigen Zusammenbruch der liberalen Demokratien geht auch die Erzählung der westlichen Welt von einem freien Weltmarkt mit konkurrierenden Innovationen verloren.

Als einzige Strategie scheint zu bleiben, das, was man hat, zu verteidigen.  Doch wäre es nicht besser, so Blom durch Verhaltensänderungen die Hoffnung auf eine neue Zukunft zu ermöglichen?

Es ist noch nicht lange her, da stand die Zukunft für eine bessere Welt. Inzwischen haben wir uns angewöhnt, mit dem Schlimmsten zu rechnen, und mussten oft genug erleben, dass es noch schlimmer kam. Gibt es wirklich keinen vernünftigen Grund mehr, zu hoffen? Der Schlüssel zur Hoffnung ist nach Blom die Veränderung von Verhaltensweisen. Wer sie „nicht erlaubt, erleidet sie.“

Die Ursache der Hoffnungslosigkeit sieht Blom im Verlust des religiösen Weltverständnisses. Durch den Glauben an das ewige Leben wurde das Dasein sinnvoll. Heute fällt alles Metaphysische weg, doch der Wunsch nach Sinnhaftigkeit  bleibt und ist eng an Hoffnung gekoppelt. Dies ersteht heute weniger durch religiöse Geschichten als vielmehr durch kulturell verankerte Narrative, sich bewusst für das Gute, Schöne und gegen das Böse zu entscheiden. Sinnentleertes Leben bekommt dadurch einen normativen Rahmen und es entsteht gleichzeitig das Gefühl der Gemeinschaft, in dem sich die eigenen Sehnsüchte realisieren und erklären lassen. Indem wir Ziele für eine bessere Welt mit mehr Gerechtigkeit oder Nachhaltigkeit verfolgen, können wir dem Leben Sinn geben. Das ist im Grunde nichts Neues.

Auch in einer durch und durch materiellen Werte hat der Glaube bezüglich der Hoffnung immer noch eine große Strahlkraft, wobei berücksichtigt werden muss, dass der Glaube das Ergebnis von Sozialisationsmustern ist, von erworbenen Vorurteilen durch unsere Erziehung, verstärkt durch populäre Ideologien und mediale Manipulationen. 

Am Beispiel der Aufklärung konkretisiert Blom, wie sich durch Veränderungen neue Aspekte für die Hoffnung ergeben. Jahrhundertelang wurde Ausbeutung durch den Kolonialismus legitimiert. Heute betrachtet man die Weltlage ganz anders, wodurch die Zukunft derzeit sehr dystroph gedacht wird. Entscheidend ist die Perspektive, mit der man den Wandel der Geschichte betrachtet. Man kann „die Evolution als Entwicklung des Kapitalismus erzählen“, in der nur die Grausamsten überleben, oder auch als Symbiose von komplexen Symbiosen von systemischen .Netzwerken, die ganze neue Möglichkeiten des Zusammenlebens erschließen können, soweit das Denken nicht schon zu sehr durch Hoffungslosigkeit eingebremst ist.

Blom zeigt gleichzeitig am eigenen Beispiel, wie er sich durch geistig und körperlich durch endorphinisierende Aktivitäten ein hoffnungsvolles Bewusstsein arbeitet und dadurch seine eigenen Begrenzungen weiten kann. Angst hat dann keinen Platz mehr. In einem Leben ohne Transzendenz liegt es verstärkt am einzelnen eine Technik für sich zu finden, die ihn hoffnungsfroh macht und den Einfluss der technologischen, profitgesteuerten digitalisierten Welt reduziert. Franz Schubert dient Blom als Beispiel. Obwohl der Komponist ein leidvolles Leben führen musste, hatte er über die Musik immer die Hoffnung im Visier.

Auch für Blom ist die Hoffnung der Lebensanker in einer Welt, in der weder der Klimawandel aufgehalten  noch danach ein Paradies erwartet werden kann. Allein aus der Energie täglich zielgerichtet Sinnvolles und Gutes zu tun  entstehen für Blom Lebenssinn und Hoffnung. 

So reduziert Blom Hoffnung immer stärker nur auf die individuelle Privatsphäre. An neuen Geschichten, die gesellschaftlich relevant Hoffnung geben könnten, scheint es auch ihm zu fehlen, was die Hoffnung nicht unbedingt beflügelt. 

Philip Blom (*1970) studierte Philosophie, Geschcihte und Judaistik in Wien und Osvord. Er lebt al Schriftsteller und Historiker in Wien. Er erhielt eine Reihe von Auszeichnungen. Seine letzten Bücher waren „Die Welt aus den Angeln“ (2017), „Was auf dem Spiel steht! (2017) und „Die Unterwerfung“ (2022)

Philipp Blom: „Hoffnung. Über ein kluges Verhältnis zur Welt“ff, Hanser Verlag, München 2024, 182 S.