"Kultur macht glücklich"


Melara Mvogdobo – „Großmütter“ – Freiheit für Frauen erst in der dritten Generation 

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Melara Mvogdobo – „Großmütter“ – Freiheit für Frauen erst in der dritten Generation 

©Transit Buchverlag

„Mein Leben ist gelebt. Die Tat vollbracht“, schreibt Melara Mvogdobo im ersten Text „Mein Tod“ und blickt zurück…

auf die Lebensläufe zweier Großmütter in verschiedenen Klima- und Kulturzonen, so verschieden wie Kamerun, wo der Regen plötzlich jegliches Leben lahm legt, und die Schweiz, wo es ein halbes Jahr lang regnet. In der Ich-Form erzählt, zweifarbig gedruckt, um die kurzen Sequenzen schnell zuordnen zu können, ergeben sich unerwartete Parallelen über drei Generationen hinweg. 

Die eine wächst auf einem armen Schweizer Bauernhof auf. Rechnen muss sie nicht können, aber einen Haushalt ordentlich führen und möglichst einen tüchtigen Bauern heiraten.

Die andere, die hübscheste Tochter der ersten Frau, wächst sehr wohlhabend auf und möchte Ärztin werden. Doch auch ihre Zukunft visioniert der Vater als eine Frau, die dem Mann zu gehorchen und zu gefallen hat. Das Schicksal beider Frauen wird durch die Entscheidungen der Väter bestimmt und durch ihre Ehemänner zum Martyrium, denn „die Freiheit der Frauen reicht nur bis zum Nein eines Mannes.“ 

Man kennt derartige Biografien. Das Außergewöhnlich von Mvogdobos Roman „Großmütter“ ist konzeptionell die gedoubelte Perspektive im völlig konträren Umfeld. Eine reiche schöne Afrikanerin und ein armes Schweizer Bauernmädchen erleben ganz ähnliche Unterdrückungsmechanismen durch männliche Dominanz und Herrschsucht. Die Lebenswege verlaufen diametral, doch die Folgen sind die gleichen, brachiale Schläge zu Hause, soziale Ausgrenzung in der Öffentlichkeit. Erst als Großmütter wagen beide Frauen Nein zu sagen. Welten trennen sie von ihren selbstbewussten Enkelinnen. 

Außergewöhnlich ist auch Mvoydobos Erzählstil. In kurzen, überaus prägnanten Sequenzen skizziert sie problematische Lebenssituationen wie Kurzgeschichten ohne Einleitung und Schluss, mit unerwarteten Wendepunkten, die immer wieder überraschen und den Lesern Raum für eigene Schlussfolgerungen lassen. Inhaltlich, konzeptionell und sprachlich Leseerlebnis! 

Melara Mvogdobo – „Großmütter“, Transit Buchverlag, Berlin 2025. 127 S.