Jede Seite ein Foto, jede Seite ein Text, damit überrascht Kabarettist Mathias Richling den Leser. „Enttarnt! Biografische Ermittlungen im privat-öffentlichen Milieu“ ist ein Potpourri querbeet durch sein vielseitiges kabarettistisches Wirken, konzipiert als Rätselspiel. Fotos und Texte stimmen personell nicht überein, aber es gibt verbale und mimische Übereinstimmungen zu entdecken …
©Westend-Verlag, 2024
Mathias Richling setzt sich als „Mann mit vielen Gesichtern“ ein fotodokumentarisches Denkmal seiner Verwandlungsfähigkeit während seines Jahrzehnte langen Schaffens, indem er alphabetisch sortiert in 226 unterschiedliche Rollen schlüpft, vom Schweizer Bankmanager Josef Ackermann bis zu Mark Zuckerberg und Schuldnerberater Peter Zwegat, ein extrem großes Spektrum von deutschen und internationalen Politikern, Unternehmern, flankiert von Künstlern, Stars, Moderatoren, ganz unerwartet mittendrin Leonardo da Vinci und Papst Franziskus. Nicht minder witzig, aber in kleinerer Auswahl die Frauen, u.a . Baerbock, von der Leyen, Maischberger oder, als einzige sehr sympathisch, Mum, alias Queen Elisabeth II. Damit Richlings Rollenkosmos auch überprüfbar ist, hält er jeweils ein Originalfoto der Porträtierten zum Vergleich in der Hand. Doch Richling will nicht imitieren, sondern karikieren, mitunter über Äußerlichkeiten soziale Verwerfungen ironisieren.
Ein alter Mann karikiert jüngere Frauen wie Model Heidi Klum oder Fernsehmoderatorin Barbara Schöneberger. Ein Fehlgriff? Was auf den ersten Blick irritiert, erschließt sich aus der Perspektive antizipierten Alters als gekonnte Parodie auf Schönheitswahn.
In den autobiografischen Texten darunter oft ein Thema über mehrere Seiten hinweg präsentiert Richling Szenen aus seinem Berufsalltag. Er erzählt von besonderen Begegnungen, peppt seine verbale Karl Valentin-Hommage durch die mürrisch negative Physiognomie von Gewerkschaftlerin Ursula Engelen-Kefer und die SPD-Politikerin Saskia Esken auf. Über eingestreute Fan-Kommentare, „Ich bekomm Atemnot beim Zuhören von Ihnen“, karikiert er nicht nur den gähnenden Altstar Johannes Heesters, sondern augenzwinkernd auch sich selbst. Titelkonsequent „enttarnt“ er sich durch seine „biografischen Ermittlungen im privat-öffentlichen Milieu“ erfrischend realitäts- und selbstbewusst. Nein, die kleinen Kinder, mit denen er im Garten vor zwei Jahren herumgetollt ist, erinnern sich nicht an ihn, aber Richling zitiert den Schriftsteller Albrecht Goes (1908-2000), einen seiner „atemlosen Bewunderer“, weil in der Schreibkunst immer das Vorzügliche zählt und Richling „vorzüglich“ sei.
Für Richling-Fans mag diese Form der Enttarnung eines „biografischen Künstlerlebens“ ein Gaudium sein. Ansonsten ist „Enttarnt“ trotz aller konzeptioneller karikierender Strukturen ein imitatorischer Superlativ möglich durch einen erstklassigen Maskenbildner nicht konkurrenzfähig zu Richlings kabarettistischen Talent auf der Bühne.
Mathias Richling, 1953 in Waiblingen bei Ulm geboren, ist Kabarettist, Parodist, Autor und Schauspieler. Bundesweit bekannt wurde er 1989 durch die Satiresendung „Jetzt schlägt´s Richling“. Es folgten Shows wie „Zwerch trifft Fell“, die in „Die Mathias Richling Show“ umbenannt wurde. Neun Jahre gehörte er zur Stammbesetzung des „Scheibenwischers“. Zwei Jahre moderierte er die Sendung „Satire Gipfel“. Auf Youtube ist er mit dem monatlichen Digitalformat „Richling backstage“ bekannt. Für sein Können wurde er mehrfach ausgezeichnet.
Mathias Richling „Enttarnt! Biografische Ermittlungen im privat-öffentlichen Milieu“, Westend Verlag Neu-Isenburg, 2024, 238 S.