"Kultur macht glücklich"


Klaus-Rüdiger Mai „Die Kommunistin – Sahra Wagenknecht: Eine Frau zwischen Interessen und Mythen“

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Klaus-Rüdiger Mai „Die Kommunistin – Sahra Wagenknecht: Eine Frau zwischen Interessen und Mythen“

©Europa Verlag, 2024

Als Germanist, Historiker und Philosoph mit Spezialgebiet der künstlerischen, philosophischen und wirtschaftlichen Kulturen Europas, insbesondere der Geschichte und Gegenwart Ostdeutschlands und Osteuropas hat Klaus-Rüdiger Mai die fachliche Kompetenz Sahra Wagenknechts Persönlichkeit durch ihre Sozialisation und ihr dialektisch philosophisches Denken genau zu analysieren. Er gesteht ihr zu eine Ausnahmeerscheinung mit überaus großer kognitiver Kompetenz zu sein, doch er setzt alles daran sie argumentativ zu zerlegen, inklusive ihrer Beziehungen zu ihren geistigen Mentoren von Goethe, Hegel, Marx, Georg Lukács bis zu ihren Wegbegleitern Peter Hacks und ihren beiden Ehemännern Ralf T. Niemeyer und Oskar Lafontaine.

Vom Vater verlassen wuchs Sahra Wagenknecht bei ihrer Mutter in der DDR auf. Ihre persischen Wurzeln machten sie zur Außenseiterin, eine Rolle, die sie schon früh kultivierte. Das Ausgegrenztsein wurde zu ihrem Label zum Beweis, dass sie eben mehr konnte als die anderen und diese sie nur ausschlossen, weil sie neidisch waren. Sie wollte ganz bewusst anders sein und wurde es durch ihre Lektüre auf der Suche, was die Welt zusammenhält. Fündig wurde Sahra Wagenknecht bei Goethe, Hegel, Karl Marx, Lenin, Rosa Luxemburg, Georg Lukács und Peter Hacks. Sie wurden ihre geistigen Vorbilder und prägten Ihr Denken, aber nicht von der Lebenspraxis, sondern rein von der Theorie aus. Für sie ist, davon ist Sahra Wagenknecht absolut überzeugt, die Diktatur des Proletariats die wahre Demokratie als Staat, in dem jeder seine Meinung frei sagen kann. Die bürgerlichen Demokratien sind dagegen, von der Diktatur des Kapitalismus dominiert, unfreie Staaten. Die Wende war deshalb für Sahra Wagenknecht eine Konterrevolution. Sie trauert der DDR unter Ulbrich nach und zielt heute auf einen „kreativen Sozialismus“. 

Akribisch genau analysiert Karl-Rüdiger Mai ihre Theoriemodelle, ihre publizierten Aufsätze und ihr Buch „Die Selbstgerechten“, ihre Selbstinszenierung und ihren Dogmatismus auf allen Ebenen. „So bin ich, so will ich wahrgenommen werden.“ Was nicht in dieses Schema passt, wird ignoriert. Immer wieder moniert Klaus-Rüdiger Mai ihren fehlenden Realitätssinn. Wie will sie als reine Theoretikerin, geistig verankert in einem kommunistischen Idealismus, der nirgends auf der Welt richtig realisiert wurde, Realpolitik machen? Karl-Rüdiger Mai stellt ihren ideologischen Dogmatismus und das daraus zu erwartende Desaster auf eine Ebene mit Habeck. Er will den völlig ideologisierten klima-neutralen Umbau, Wagenknecht den ökonomischen. „Der Kapitalismus ist zum wichtigsten Hinderungsgrund für ein Leben in Freiheit, Demokratie und Wohlstand geworden.“ 

Hier treffen zwei sehr selbstbewusste, sehr von sich überzeugte Persönlichkeiten aufeinander. Der theoretischer Dogmatismus Sarah Wagenknechts wird an der pragmatischen Umsetzung gemessen, wodurch das Bewusstsein des Lesers für die gegenwärtige realpolitische Lage deutlich geschärft wird.

Klaus-Rüdiger Mai „Die Kommunistin. Eine Frau zwischen Interessen und Mythen“, Europa Verlag, München 2024, 288 S.