"Kultur macht glücklich"


Jean-Remy von Matt „Am Ende“ – Rückblick und Einblick in ein kreatives Leben

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Jean-Remy von Matt „Am Ende“ – Rückblick und Einblick in ein kreatives Leben

©Econ Verlag bei Ullstein-Verlage

„Aus dem Nichts etwas Neues schaffen“, wenige können das so perfekt wie Jean-Remy von Matt. In seinem Buch „Am Ende“ erzählt Deutschlands bekanntester Werbetexter die…

„Erlebnisse und Erkenntnisse aus einem kreativen Leben“, so der Untertitel und kokettiert bereits auf dem Cover damit, dass dies das erste Buch sei, „das von Anfang bis Ende immer schlechter wird.“ Er kann es sich leisten. Er baute ein internationales Werbe-Imperium auf. Mit seiner Agentur Jung von Matt, die er mit Holger Jung 1991 gründete, hat er Werbegeschichte geschrieben. Seine Slogans, kurz, knackig, unkonventionell wie „BILD Dir Deine Meinung“ oder  „Wählt am Sonntag“ haben sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. „Geiz ist geil“ verselbstständigte sich zum Lifestyle schlechthin.

In seinem neuen Buch „Am Ende“ rollt er sein Leben von vorne auf. In 76 Minikapiteln von zwei bis drei Seiten erzählt er die Geschichten hinter den Slogans und gleichzeitig seine Karriere, in der Geld nicht alles bedeutete. Ruhm und Spaß waren genauso wichtig bei der Agenturgründung. Angestellt wurde nur, wer das entsprechende kreative Potenzial hatte, ins Team passte und den Mut mitbrachte, kantig zu sein, das Unmögliche auszuprobieren. Kreativ ist nicht modern, nicht Zeitgeist, sondern geht einen eigenen Weg, war die Devise. Fehler waren erlaubt. Sie sind die besten Lernquellen und verwandeln sich in der Retrospektive zu Bonmots. Aus den Erfahrungen der Flops entstehen Tops. Die Arbeitsatmosphäre war angstfrei, aber ehrgeizig auf Spitzenniveau fokussiert, „Wir bleiben unzufrieden“, so der Firmenslogan in 3-Wort-Qualität. „Nur was merkwürdig ist, ist merkfähig.“ 

Matt gibt sich bescheiden, selbstironisch, umso mehr leuchtet sein kreatives Können auf. Er beherrscht die Kunst auf einem weißen Blatt eine Idee zu entwickeln, aus dem Nichts etwas Neues zu gestalten, und er weiß sich bestens in Szene zu setzen. Er ist davon überzeugt, dass selbst KI seine Originalität nicht toppen kann.

Das gilt auch für sein Buch. Jedem Kapitel stellt er ein grünes Werbe-Quadrat voran, das den Inhalt sloganartig zuspitzt, womit  er seinen wiederholten Appell mit dem Lesen aufzuhören, wenn es langweilt, pfiffig konterkariert. Man will schon wissen, was hinter der Kurzformel steckt. 

Matt formuliert, wie nicht anders zu erwarten, zündend, sehr unterhaltsam, garniert mit Lebensweisheiten, die man längst kennt, die aber im Kontext kreativer Ideenfindung erfrischend neu aufleuchten. Matt kann einfach alles positiv vermarkten, sein Haus als Denkmal für die DDR und selbst die Wartezeit. Als geschenkte, unverplante Zeit gibt Raum für neue Ideen. 

„Am Ende“ seiner Erfolgsgeschichte ist noch lange nicht Schluss.  Die Freude an konzeptionellen Ideen inspirierte Matt (*1952) Ende sechzig sich der konzeptionellen Kunst zuzuwenden. Statt klarer Botschaften wurde jetzt Interpretationsspielraum eingefordert. Er baute  eine Uhr, die seine Lebenserwartung in Sekunden abzählt in der Hoffnung, dass das Wenigerwerden den reflektierten Umgang mit Zeit bewusster macht. Nichtsdestoweniger blickt er im Nachwort humorvoll auf sein Lebensende, das rein statistisch 2037 enden soll und vergleicht sich mit einem Oldtimer. Bei guter Pflege von Körper und Geist steigen Wert, Charme und Faszination. Klar, dass man nach so einem stringenten und erfüllten Leben auch als Kreativer glücklich sein kann.

Jean-Remi von Matt „Am Ende. Erlebnisse und Erkenntnisse aus meinem kreativen Leben“, Econ Verlag bei Ullstein Buchverlage, Berlin 2025, 240 S.