"Kultur macht glücklich"


Ewald Arenz – „Zwei Leben“

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Ewald Arenz – „Zwei Leben“

©Dumont Verlag

Und wieder ist bei Ewald Arenz die Hauptfigur gleich zu Beginn des Romans unterwegs. Er lässt die junge Roberta, die gerade ihre Ausbildung zur Schneiderin hinter sich hat, in…

ihr Dorf zurückkehren. Jede Person, die Roberta trifft, beschreibt sie in Gedanken, wodurch man als Leser ganz schnell in die fränkische Dorfatmosphäre eintaucht. Roberta liebt den Duft, die Farben und die Lichtstimmungen rund um den Hof der Eltern. Als sie sich in Wilhelm, den Pfarrerssohn, verliebt, erlebt sie alles noch intensiver und doch zieht es sie in die Stadt zurück. Auch Wilhelms Mutter Gertrud, die in Hamburg aufgewachsen, vermisst die urbane Lebensweise, Menschen auf gleicher Augenhöhe. Zu den Dorfbewohnern hat sie kaum Kontakt, obwohl ihr Mann als Pfarrer sehr beliebt ist. 

Aus der Perspektive dieser zwei Frauen erzählt Arenz deren Schicksale sehr empathisch. Beide treibt eine ungeheure Sehnsucht nach Freiheit an, weil sie das Landleben als sehr beengend empfinden. Gertrud geht mit ihrem Bruder auf Reisen und wird bei einer übermütigen Nacht von einem unbedeutsamen Fremden schwanger, Roberta von ihrer großen Liebe Wilhelm. Als er durch einen Unfall ums Leben kommt, stürzen die Lebenspläne der beiden Frauen wie Kartenhäuser zusammen, und ihre Lebenswege kreuzen sich. 

Die Geschichte wirkt konstruiert, entfaltet aber durch Arenz’ empathische, sehr detaillierte und liebenswürdige Schreibweise einen Sog, wie man ihn aus seinen anderen Büchern kennt. Man spürt die menschliche Wertschätzung, die er jeder seiner fiktiven Figuren schenkt. Man versteht, warum die Menschen sind, wie sie sind. Selbst bei den Grobianen entdeckt Arenz Züge, die sie sympathischer erscheinen lassen. Der Opa weiß, was wahre Liebe ist und seine Enkelin Roberta auch. „Man muss es probieren, am Ende geht es doch“, rät ihr der Opa. 

Dass am Schluss alles so harmonisch aufgeht, grenzt allerdings an Rosamunde-Pilcher-Kitsch. Aber vielleicht liegt gerade darin der Schlüssel zu Arenz’ Beliebtheit. In einer Welt, in der alle Sicherheiten zerbrechen und der Umgangston immer rauer wird, geben harmonische Lösungen Trost und Auftrieb. Doch „Zwei Leben“ bleibt deutlich im Schatten von „Alte Sorten“. 

Ewald Arenz: Zwei Leben, Dumont Verlag, Köln 2024,