Mit zwei kurzen Lebensläufen beginnt Elke Heidenreich ihre neues Buch „Altern“. Es sind zwei konträre Betrachtungen ihres eigenen Lebens, womit sie den LeserInnen verdeutlicht, wie auch er sein Leben negativ oder positiv sehen kann. Inzwischen blickt Heidenreich auf 80 Lebensjahre zurück und fühlt sich immer noch mitten im Leben. Sie lässt nichts kosmetisch machen, will kein Kunstprodukt sein und liebt vom Leben gezeichnete Gesichter. „Ich will ich sein“, bekennt sie und dieses Ich nährt sich vom Gelebten und Erinnern. „Das Gehabthaben schützt vor dem Habenwollen“…
©Hanser-Verlag, 2024
Heidenreichs Buch „Altern“ ist keine Autobiografie, sondern ein sehr persönlich gefärbter, monologischer Essay, in dem sie ein breites Spektrum ganz unterschiedlicher literarischer Stimmen unterstützend, oft auch kontrapunktierend einbaut. Philosophisch pessimistische Ansichten über das Alter kanzelt sie mit einem „bei mir nicht“ ab. Sie baut eine positive Altersphilosophie auf, geprägt von ihren eigenen Erfahrungen und gleichgesinnter DenkerInnen. Heidenreich gefällt mehr Faustens Philosophie „Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn /Zum Augenblicke dürft ich sagen: /›Verweile doch, du bist so schön!‹“ Selbstbestimmt zu leben ist der entscheidende Glückszustand im Alter.
Nicht wie alt man ist, sondern wie man alt wird, ist für sie entscheidend. Einst ein einsames, lesendes Kind verbissen berufstätiger Eltern war „fast alles unter dreißig eine Quälerei, alles über sechzig ein Geschenk.“ Ihr Leben beschreibt sie wie einen Berg, den sie bezwingen musste, der sich in einen breiten Lebensstrom verwandelte, durch Fehlentscheidungen und Irrtümer in einen dichten Wald mutierte, durch den sie sich kämpfen musste. Auch jetzt im Alter will sie eine Zeugin der Zeit sein, aber nicht mehr für alles verantwortlich.
Die Basis bilden „Haben, Lieben, Sein“. Ohne finanzielle Sorgen, im Umfeld von lieben Menschen und dadurch, was man tut, kann Alter schön und genussvoll sein. Langeweile macht alt und Nichtstun nur Sinn als kreativer Kontrast zum Tun. Heidenreich jammert nicht über das vielleicht letzte Weihnachten, sondern freut sich auf das nächste Frühjahr, wenn die Kraniche wieder aus dem Süden zurückfliegen.
Elke Heidenreich „Altern“, Hanser Verlag, München 2024, 111 S.