Axel Hacke „Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte“

Buchkritik Axel Hacke "Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de,

Nicht der Ernst des Lebens, die Heiterkeit brachte Axel Hacke weiter im Leben. Heiterkeit ist für ihn ein Lebensgefühl, ähnlich einem Lächeln, das in die Welt geschickt wird und von einem zum anderen wandert und für kurze Momente das Leben verändert. Entlang von Schriftstellern, Philosophen, Karikaturisten kreist Hackes essayistisches Buch „Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte“…

©Dumont Verlag, 2023

Gleich zu Beginn demonstriert er an seinem eigenen Lebenslauf, zuerst sehr negativ, dann positiv geschildert, wie die Einschätzung des Lebensumfeldes von der eigenen Haltung abhängt. Ständige Kümmernisse lassen das Leben verkümmern. Mit Heiterkeit das Leben von oben zu betrachten, macht dagegen die Seele froh. „Ernst ist das Leben, heiter die Kunst“ zitiert er Schiller und viele andere Persönlichkeiten als Beispiele oder Gegenpole, wobei sich Hackes Essay zum literarischen Kosmos der Heiterkeit entpuppt. Von Freud über Sempé, Woody Allen bis zu Loriot sucht Hacke nach dem Wesen der Heiterkeit. In jedem Kapitel inspiriert ihn ein anderer Denker zu neuen Perspektiven. Über Franz von Kobells volkstümlichen „Brandner Kasper“ entdeckt Hacke selbst im Sterben eine positivistische Heiterkeit Die Schwere des Lebens darf nicht verdrängt werden. Erst indem man sie thematisiert, gelingt Heiterkeit und Trost, wobei es nicht um Transformationen geht, sondern um beider Simultaneität.

„Ein heiterer Mensch zu sein, bedeutet nicht das Schwere zu ignorieren, sondern es in etwas Leichtes zu verwandeln.“ Loriot ist ein Meister dieser bröselnden Kommunikation, am Aneinander-Vorbeireden und das Gesagte trotzdem in seiner Ironie zu verstehen.

Beim Ausloten der Heiterkeit entdeckt Hacke subtile Unterschiede schon in der Weimarer Klassik, als Goethe Schillers „…heiter ist die Kunst“ in „…heiter sei die Kunst“ abändert. Der Zustand der Heiterkeit ist eben keineswegs gegeben, muss erst erarbeitet werden. Heinrich Heine liebte die französische Heiterkeit im Gegensatz zum deutschen Ernst. Für Thomas Mann war Heiterkeit der Gegenpol zu den Nazis. Werner Finck provozierte die Nazis mit heiter kabarettistischem Widerstand. Für Theodor W. Adorno war nach dem Zweiten Weltkrieg die Heiterkeit in der Kunst „unmöglich“.

Heiterkeit schafft Raum, fühlt vor statt nachzubohren, schafft Verständnis statt Aufmunterung, verdrängt nicht, sondern beleuchtet die Problemstellen, aber eben aus einer ganz neuen Perspektive. Keine Haltung für Diktatoren und Machtmenschen.

Von der japanischen Lebensphilosophie des „Ikigai“ inspiriert, zu deutsch wofür es sich zu leben lohnt, verweist Hacke den Narzissmus des Individuums in die Unbedeutsamkeit und plädiert für ein Herunterfahren des Egos und der damit ständig einhergehenden Bewertungssysteme. Stattdessen plädiert er ähnlich den Kindern beim Spielen für ein Sich-selbst-Vergessen und „Durchheitern“ des Lebens, wie man es beim Anblick der Natur oder auch der Kunst erleben kann. 

Bei diesem Denkansatz steht auch Michael Endes Lebensmodell als Haus mit verschiedenen Stockwerken Pate. Je nach Stockwerk ändert sich die Perspektive auf die Welt. Ob „eudaimonia“, das gute Leben, im Sinne der Antike gelingt, hängt wie damals auch heute noch vom richtigen Maß und von konsequenter Disziplin ab. Dass man die Genüsse des Lebens genießen soll, aber auf sie auch gelassen verzichten kann, war für Montaigne die Basis seines „heiteren Weltmenschen“. 

Nach all den belesenen Vergleichen kommt Hacke final zur Ausgangsthese zurück. Heiterkeit ist kein spontaner Moment, sondern eine Seelenstimmung und ein Gemütszustand, woran man sich orientieren kann. Heiter ist eine Variation der Gelassenheit, die Kunst zu verändern, was man kann, und die Kunst hinzunehmen, was man nicht ändern kann, seine Grenzen zu kennen und sich nicht zu überfordern, sich selbstständig freizumachen von zu hohen Erwartungen und dabei das Schwere in etwas Leichtes zu verwandeln. Heiter sein ist das beste Mittel gegen Traurigkeit, gelingt aber nur als Prozess aus sich selbst heraus. 

Axel Hacke lebt als Schriftsteller und Kolumnist des Süddeutsche Zeitung Magazins in München. Seine Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und sein literarisches Schaffen ehrte man durch verschiedene Preise. 

Axel Hacke „Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte“, Dumont Verlag, 2023, Köln, 221 S.