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Anselm Grün – „Widerstehen und Wachsen“ – von der Bedeutung der Hoffnung

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Anselm Grün – „Widerstehen und Wachsen“ – von der Bedeutung der Hoffnung

©Herder Verlag

Wie können wir der Macht des Dunklen entgegentreten? Genügt Resilienz, die Fähigkeit, die Widrigkeiten in unserem persönlichen Leben nicht nur zu meistern, sondern auch…

die Kraft zu entwickeln, sich gegen negative gesellschaftliche Tendenzen zu stellen? Anselm Grün bezweifelt dies. Er setzt in seinem neuen Buch „Widerstehen und Wachsen“ auf die Kraft der Hoffnung und die Nächstenliebe als Handlungskonzept auf der Grundlage religiösen Glaubens.

Aus ganz unterschiedlichen Positionen untersucht Grün die Dämonenlehre. Schon C.G. Jung, Begründer der analytischen Psychologie, erkannte, wie ins Unbewusste verdrängte persönliche und kollektive Dämonen, allen voran Zorn, Aggression, Neid, Depression und Trägheit, die Gesamtpersönlichkeit eines Menschen verändern können. Ziel ist es gegen diese negativen Emotionen anzukämpfen, damit sie den Menschen nicht beherrschen und ihm die Freiheit des überlegten Handelns nicht nehmen. 

Auch Mönche kennen den Kampf gegen diese negativen Leidenschaften. Grün zitiert aus den Schriften des Evagrius Ponticus (345-399 n.Chr.). Er empfiehlt die Dämonen zu beobachten, um die Auslöser und Muster zu erkennen und sie durch neue Perspektiven und Rituale abwehren zu lernen. 

Diese „Widerfahrnisse“, so nennt Grün das Wirken negativer Leidenschaften, kommen oft ganz unverhofft von außen durch Unfälle, Naturkatastrophen, Seuchen, Kriege. Sie verändern den Lebensrhythmus und schaffen dadurch Ängste. Die Menschen können das nicht ändern, nur darauf reagieren. Entscheidend ist, wie sie darauf reagieren. Wenn man sich auf seine Schwächen konzentriert, werden die  negativen Emotionen noch größer. Wenn man sie akzeptiert, verlieren sie ihre Bedeutung, so der Psychologe Alfred Adler. Auf die Zukunft kann man mit Angst oder auch mit Hoffnung reagieren. 

Grün geht noch einen Schritt weiter, indem er diese Herausforderung als ein Einlassen auf Gottes Willen und als Bewegung in Richtung Gott interpretiert. Meditation ist nach Grün im Kampf gegen die Dämonen zu egozentrisch und wirkungslos, denn für ihn ist der gesellschaftliche Bezug, der Widerstand gegen „gesellschaftliche Mächte und Tendenzen“ von zentraler Bedeutung. 

In der gegenwärtigen Flut von Wissensanhäufung und Kommunikationsmöglichkeiten empfiehlt Grün eine Haltung  der Askese und Konzentration auf das Wesentliche. Mystik darf sich nicht wie in den USA politisch vereinnahmen lassen, sondern muss im Umgang mit den Mitmenschen aktiv erfahrbar werden, zumal die zunehmende Ökonomisierung des Lebens die Menschen immer mehr „verzweckt“ und durch die Einteilung in Subjekte und Objekte spaltet und isoliert. Wer nur an sich und seinen Vorteil denkt, von dem geht kein Segen für andere Menschen aus.

Genauso spaltend ist die Rechthaberei, die das Zuhören unterminiert. Erst wenn man versucht, den anderen zu verstehen, entsteht Hoffnung. Erwartungshaltungen engen ein, drängen einen anderen Lebensstil auf, machen unfrei und verursachen Selbstentfremdung. Das Mitgefühl mit anderen Menschen dagegen stärkt das soziale Miteinander und die eigene seelische Gesundheit.

Sehr interessant ist Grüns Darlegung von Aggression und Hoffnung, zum einem im Kampf für und gegen etwas, zum anderen das Überschreiten des Destruktiven durch den Blick in eine bessere Zukunft, in der das Leben menschenwürdiger wird. Anders als Camus, der statt Hoffnung das Handeln fordert, sieht Grün gerade in der Hoffnung die Kraft zum Handeln. Das gelingt nur, wenn die Hoffnung sich wirklich den Menschen zuwendet. Mit der Hoffnung entsteht eine neue Stimmung in der Welt. 

Der Kern eines erfüllten Lebens liegt bei jedem Menschen darin, durch die eigene Existenz anderen Menschen Hoffnung zu vermitteln. Die Hoffnungsmythen im Alten und Neuen Testament wie die Geschichte von  David und Goliath oder die Heilungsgeschichten von Jesus sind dafür wichtige Beispiele.

Mit „Widerstehen und Wachsen“ gelingt  Anselm Grün trotz unserer desolaten Weltlage und depressiven Grundstimmung die Hoffnung als energetische Kraft für ein geglücktes Leben und ein soziales Miteinander ins Bewusstsein zu rücken. Er schreibt gelassen, aus der Lebenserfahrung eines Gläubigen. Ohne zu moralisieren und zu werten, durch kulturgeschichtliche Bezüge untermauert, konstatiert er schlicht und überzeugend. Ein Mensch, der glaubt und durch seine Existenz das menschliche Miteinander verbessert, lebt hoffnungsfroher. Man könnte ergänzen, wer hofft, der glaubt, auch wenn er nicht gläubig im religiösen Sinn ist.

Anselm Grün (*1945), Dr. theol., ist Mönch der Benediktinerabtei Münsterschwarzach, geistlicher Begleiter und Kursleiter. Seine Bücher zu Spiritualität und Lebenskunst sind weltweite Bestseller und wurden in über 30 Sprachen übersetzt.

Anselm Grün: Widerstehen und Wachsen, Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2025 , 140 S.

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