"Kultur macht glücklich"


München – „Future Bodies from a Recent Past – Skulptur, Technologie, Körper seit den 1950er Jahren“ im Museum Brandhorst 

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München – „Future Bodies from a Recent Past – Skulptur, Technologie, Körper seit den 1950er Jahren“ im Museum Brandhorst 

„Bródno People“, 2010©Pavel Althamer, Foto Thomas Dashuber 

„Bródno People“, inspiriert von Auguste Rodins „Die Bürger von Calais“ (1889) zeigt uns Menschen auf der Zeitreise durch die Evolution in lebensgroßen Figuren als Häuflein vereinsamter Wanderer. Sie pflanzen sich fort, boxen, jagen, erforschen das Weltall. Ausgehend von dieser zugleich archaischen als auch futuristischen Installation spannt „Future Bodies from a Recent Past“ den Bogen von Konsumtechniken der 1950er Jahre bis zur digitalen Überwachung unserer Zeit. Gerade die Nachkriegsjahre brachten infolge der Überwindung der Kriegstraumata, der Aufrüstung und des Wirtschaftswunders eine gigantische technologische Entwicklung, Segen und Fluch zugleich. Gleichzeitig gibt die weit gespannte Thematik Raum für die Problematik rassistischer und feministischer Diskriminierung und Ausbeutung. 

Skulpturen eignen sich ganz besonders, diese Veränderungen wahrzunehmen. Die Zeitreise zeigt nicht nur die Einflussnahme der Technik auf den menschlichen Körper, sondern auch die Vielfalt skulpturaler Ausdrucksweisen durch unterschiedliche Materialien und Stilrichtungen. Klassische Bronzeskulpturen sind eine Rarität. Die KünstlerInnen bevorzugen Alltagsmaterialien und innovative Kunststoffe, um Fragen nach dem Verhältnis von Mensch und Technologie, von Körper und sozialen Beziehungen in den Mittelpunkt zu rücken. Japanische Künstler experimentieren nach den Erfahrungen von Hiroshima und Nagasaki mit Abfall und Lebensperspektiven, entwickeln Lichtmetaphern als neuen humanen Lebensstil. Der Körper degradiert zu einem Bündel bunter Glühbirnen als flimmerndes Elektrizitätszentrum. Körperteile, Pflanzen und elektrische Geräte wachsen zu posthumanen Elektrostrukturen zusammen, in denen Mensch und Umwelt gleichwertig werden.

Die afroamerikanische Künstlerin Senga Nengudi spielt mit Sand befüllten Nylongeweben auf die Fetischisierung bestimmter weiblicher Körperzonen an. Hybride aus Maschinenteilen kombiniert mit eingewachsten Organismen werden zu neuen „Proto/Cybords“. Niki de Saint Phalles zusammen mit Jean Tinguely und Per Olof Ulvedt erstelllte gigantische Installation „Hon“, eine „Begehbare Vagina“, als Degradierung der Frau zur Vergnügungsmaschine wird über eine dokumentarische Fototapete in Erinnerung gerufen.  Nicola L.s „Little TV-Woman“ mit einem Fernsehgerät im Bauch und Brüsten als Schubladen zielt in dieselbe Richtung, die Frau als Gebrauchsmöbelstück. Ihre Forderung von 1969 „I Am the Last Woman Object“ hat sich bis heute noch nicht erfüllt.

Ausstellung Future Bodies from a Recent Past" im Brandhorst Museum präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

„Little TV Woman“, Nicola L.©Nicola L., Foto: Kyle Knodell 

In der unteren Etage offeriert eine große Installation vor naturalistischer Tapete umrauscht von indifferenter Geräuschkulisse Symbole unserer Konsumgesellschaft in ihrer Banalität als museales Sammelsurium, das sich sehr schnell überlebt.

Durch eine Zwischenwand als Black Box abgetrennt konterkarieren leuchtende Strichmännchen anstelle von Höhlenmalereien die Qualität von Innovationen. Unbestritten sind die Vorteile der medizinischen Technologien, womit Körperteile ersetzt werden können, was Joachim Bandaus Transplatationsobjekte veranschaulichen. Aber auch in dieser Thematik werden Gegenpositionen gezeigt, der Mensch als serielle Ware.

Zur Ausstellung ist eine umfassende Publikation mit Essays im Deutschen Kunstverlag erschienen. „Future Bodies from a Recent Past-Skulptur, Technologie, Körper seit den 1950er-Jahren“ ist im Münchner Brandhorst Museum noch bis zum 15. Januar zu sehen.