"Kultur macht glücklich"


Landshut – „Willkommener Gast“ – eine provokante Auststellung im Koenigmuseum Was wirklich zählt – der zärtliche Blick

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Landshut – „Willkommener Gast“ – eine provokante Auststellung im Koenigmuseum Was wirklich zählt – der zärtliche Blick

©Michaela Schabel

Ist das Mädchen echt? Hyperrealistisch figuriert Patricia Piccinini…

Menschen und Hybride. Aus Silikon, Plastik, Harz, Glasfasern, Menschenhaaren, Leder und Stoffen formt sie eine neue Gattung von irritierenden Lebewesen. Sie haben mitunter keinen Kopf, nur einen Mund, viele Zitzen und lange Krallen, sind behaart und extrem faltig, auf den ersten Blick extrem abstoßend. Doch ein Mädchen hält ein hybrides Wesen beschützend im Arm und strahlt es zärtlich an. Man fragt sich, warum? Genau auf diesen Moment zielt das Konzept der australischen, weltweit nachgefragten Künstlerin. In Kooperation mit dem Tübinger Institut für Kulturaustausch wurde die Wanderausstellung in Landshut von Daniel Schreiber, Leiter der Landshuter Museen, sehr beeindruckend kuratiert. 

Piccinini verfolgt die technologischen Entwicklungsmöglichkeiten in punkto Genveränderung sehr interessiert. Sie hinterfragt kritisch die wirtschaftliche Gewinnmaximierung, geht aber einen Schritt weiter, indem sie die Andersartigkeit ihrer fiktionalen Wesen durch den liebevollen Blick eines Mädchens akzeptiert, was sich wiederum auf die Haltung des Besuchers überträgt. 

In den 18 labyrinthischen Räumen des Koenigmuseums präsentiert Patricia Piccinini jeweils ein anderes Narrativ, doch die Botschaft ist immer die gleiche. Der liebevolle Blick auf das Neue, auch wenn das Neue durch die Optik zunächst abstößt. 

In den fensterlosen, sehr unterschiedlich großen Räumen kommen Piccininis Arbeiten durch Lichteffekte und die kontrastierende Werke von Fritz Koenig bestens zur Wirkung. Seine große Doppelkaryatide wird, umrahmt von archaischer Landschaft, zum Symbol menschlicher Kulturgeschichte, Piccininis „Alien“, der mit einem Mädchen auf einem Bett herumhüpft, zum „Wellcome Guest“, beobachtet von einem Pfau und den „Zwei Säulenfiguren“ von Koenig. Ein Traum, eine Vision, schön ist letztendlich, was man mit Liebe betrachtet.

Dass das derzeitige Menschsein nur eine Phase der evolutionären Entwicklung ist, verdeutlicht Piccinini durch die extrem behaarten Beine der ausgestellten Mädchen. 99,8 Prozent der DNA sind bei Mensch und Schimpanse gleich. Dieses Oszillieren zwischen Mensch und Tier wird in ihren Hybriden sehr deutlich, nicht um Tiere zu vermenschlichen, sondern um an den gemeinsamen Ursprung zu erinnern, was durch Koenigs Pferdemensch „Poseidon“ noch intensiviert wird. 

Sein „Großer Epitaph für Zwei II“ kombiniert mit Piccininis „Couple“, einen sich innig umarmenden alten Schimpansenpaares lässt Liebe im Alter bis in den Tod aufleuchten. 

Über 1000 florale Gebilde leuchten knochenweiß in der schwarzen Atmosphäre in ihrer Großrauminstallation „Das Feld“ auf. Die Blüten wirken wie eine Mixtur aus Schalentieren und Geschlechtsorganen, prähistorisch und surreal, denkbar als Abgesang einer gesunden Agrarwirtschaft oder einer technologischen Ersatzteilfarm, von Koenigs „Kugelkopfsäule“ gleichnishaft observiert und seiner „Drachenblut“ konterkariert. In dieselbe Richtung weisen die „Cyborgs“. Lackiert wie Motorroller versinnblichen sie technologisch weiterentwickelte naturalisierte Maschinen. Mit jeder Installation taucht man mehr in die konträren Welten von Piccinini und Koenig als Eckpfeiler unserer Kulturgeschichte ein. 

Ein Video über die Künstlerin und die ausführliche Ausstellungsbroschüre helfen die emotionalen Eindrücke konzeptionell einzuordnen. „Willkommener Gast“ ist im Koenigmuseum Landshut noch bis zum 22. März 2026 zu sehen.