©VG Bild-Kunst, Bonn 2022
Die hellen, großzügigen, klar strukturierten Räumlichkeiten des Atelier Liebermann bieten selbst Michael Weselys Mammutformaten Raum. Inspiriert vom Impressionismus insbesondere von Claude Monets Seerosenbildern entstand aus allen Seerosebildern, die er von Mai bis November 2016 anfertigte, das metallisch verfremdete, glänzende Riesenformat „Giverny“. Unter dem Titel „1:100 Past and Present 2019“ wurde es im Mies van der Rohe Pavillon in Barcelona ausgestellt.
Michael Weselys Bilder flirren auf andere Weise wie impressionistische Gemälde. Es sind weniger die Lichtverhältnisse entscheidend als diffuse Dunst- und Wolkenschichten. Ihn interessiert nicht der einzigartige Moment, sondern die Zeitlichkeit von Situationen, die er durch das Sammeln und die Überlagerung von Momenten erzielt.
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Beim Belichten kristallisieren sich Dinge heraus, andere verschwinden, intensiviert durch das Übereinanderschichten ergeben sich Leerstellen, die der Betrachter selbst zu füllen hat, wobei gerade das Fehlen von Inhalten wie bei der Fotografie von „Liebermann Haus. Die Leerstelle (1945-1999“) Vergänglichkeit und Zerstörung und damit zusammenhängende Vermutungen assoziieren lässt.
Mit Porträts von wartenden Menschen auf dem Münchner Hauptbahnhof begann in den 1980er Jahren Michael Weselys fotografische Karriere. In späteren Porträts entwickelte er die Methode mehrere Porträts zu überlagern. Die Markanz der Köpfe weicht wolkigen Flächen, die den Betrachter irritieren und zur fragenden Reflexion animieren.
In der „Abertura, Pinacotexa MASP“ fotografierte Michael Wesely vier Stunden lang die Besucher während der Eröffnung der wiederhergestellten historischen Ausstellungspräsentation 2015. Während die Besucher durch die Überblendungen unkenntlich in völlige Bedeutungslosigkeit entschwinden, bleiben die Kunstwerke in haptischer Sinnlichkeit ganz klar und weiten sich durch die extreme Tiefenperspektive zum kunsthistorischen Kosmos über Epochen hinweg.
© VG Bild-Kunst, Bonn 2022
Sozusagen „auf dem silbernen Tablett“ zeigt Michael Wesely die historischen Großereignisse in der Stadt Berlin. Nur an die Wand gepinnt dokumentiert er größtenteils durch Schwarz-Weiß-Fotografien Zerstörung und Aufbau in chronologischer Folge oder umgekehrt als Reise in die Vergangenheit zu erleben, von der Buntheit und Schönheit des Brandenburger Tores hinter einer Wasserfontäne zurück über die Ödnis und durch Stacheldraht verwehrten Einblicke nach Ostberlin während des Kalten Krieg bis zu den Verwüstungen nach dem Zweiten Weltkrieg.
„Berlin sei immerfort verdammt zu werden und niemals zu sein“, schrieb der Kunstkritiker Karl Scheffler schon 1910. Michael Wesely rückt diese Transformationen ins Zentrum seiner langfristigen Mehrbelichtungen. Gesellschaftspolitisch gesehen sind die Potsdam Bilder am spannendsten. Mit ihren Baukränen sind sie ein „archäologisches Gedächtnis“.
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Mit der Ausstellung „Michael Wesely“ gelingt es der Stiftung Brandenburger Tor das archäologische Gedächtnis des Max Liebermann Hauses lebendig zu halten. Es war in der Weimarer Zeit ein „kulturelles Gegenministerium“, wurde im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört und nach dem Zweiten Weltkrieg originalgetreu wieder aufgebaut. Parallel zur Ausstellung sind im Haus Kameras aufgestellt, die pro Tag mit einer Aufnahme den Blick nach außen dokumentieren, womit ein neues Projekt eine weitere „Leerstelle“ rund um das Atelier Liebermann „bildhaft“ werden lässt.
„Michael Wesely. Visuel archeologies 1943-2022“ ist die siebte Ausstellung in diesem Format nach Daniel Richter, Wolfgang Petrick, Leiko Ikemura, Nanne Meyer, Bjørn Melhus und Gerhard Richter.
Die Ausstellung „Michael Wesely. Archeologies 1943-2022“ ist im Liebermann Atelier noch bis 19. Juni im Atelier Liebermann am Pariser Platz zu sehen.