„Das unbekannte Meisterwerk“©Reinhard Stangl
Reinhard Stangl, 1950 in Leipzig geboren, wuchs in Ostberlin auf, studierte in Dresden und verließ 1980 die DDR, in der eine leere Ölsardinenbüchse zu malen schon als Kritik am Sozialismus galt, denn leer bedeutete Mangel. Er nutzte die neue Freiheit zum Reisen und ist doch am liebsten in Berlin. 1995 gewann er von 528 Teilnehmern zusammen mit Christine Jackob-Marks, Hella Rolfes und Hans Scheib den Wettbewerb für das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin. Die Projektausführung wurde allerdings vom damaligen Kanzler Kohl gecancelt. Zwei Jahre später realisierte man Peter Eisenmans Holocaust-Denkmal hinter dem Hotel Adlon.
Reinhard Stangl wurde Mitbegründer der Berliner Sommerakademie, bekam verschiedene Gastprofessuren und seine Expertise wird international geschätzt und nachgefragt. Trotzdem bleibt er gern im Hintergrund. Er beschreibt sich selbst als „bekennenden Großstadtbürger“, der „niemanden um nichts beneidet“.
Seine Bilder ordnet er Themenkreisen zu, die gleichsam sein gegenwärtiges künstlerisches Schaffen inhaltlich und maltechnisch strukturieren und seinen kosmopolitischen Schwerpunkt verdeutlichen. Er nennt sie „Folgt mir in die Städte“, „Folge mir um die Welt“ „Andere Welten“, „Mann und Frau“ und „Natürliche Schönheit“. Seine Bilder offerieren den Weg ausgehend vom urbanen Lebensstil mit seinen Bars zurück in die Schönheit der Natur in explosive Landschaften durch Farbschlieren hindurch paradiesisch oder apokalyptisch assoziierbar, dazwischen sportliche Dynamik und erotische Körperlichkeit.
„Close to Paradise“©Reinhard Stangl
Reinhard Stangl greift Motive immer wieder auf, ändert aber die Atmosphäre, chargiert seine Bilder zwischen hitzigem Nachtleben, dem Spiel ungewisser Gefährlichkeit oder distanziert aus der Perspektive unterkühlten Fremdseins. Er titelt seine Bilder, doch in seinen abstrakten Werken findet das Auge durch figurale Elemente und skizzierte Realismen in Kombination mit expressiven Farbexplosionen und Farbstimmungen schnell die dargestellten Narrative, die zuweilen wie bei der „Pariser Bar“ ganz konkret zu verorten sind.
Susanne Auslender, 1964 in Saarbrücken geboren, seit 2017 in Berlin, ist Bildhauerin. Sie arbeitet ohne Modelle, Fotografien oder Vorlagen, formt ihre Skulpturen mit der Kettensäge von außen nach innen aus Holz, schafft mit Relieflinien Expression, die ihren Skulpturen Kraft verleiht. Einem Stück Baumstamm gibt sie die Lebendigkeit zurück. Umgekehrt gibt das Holz dem Lebendigen die Beständigkeit der Ruhe.
Susanne Auslender Schaffensschwerpunkte sind „Kinderfiguren“, „Menschenpaare“ und „Pflanzenstücke“. Ihre Skulpturen wirken rustikal, verbreiten eine bodenständige Aura. Bunt bemalt vermitteln sie die Reinheit der Seele, die Schönheit von Blumen in kleinen Gefäßen arrangiert und stilisiert. Gleichzeitig werden die Kinderfiguren zu kritischen Chiffren unserer ausbeuterischen Systeme, wodurch sich Kindsein unter ganz extrem unterschiedlichen Lebensbedingungen offeriert, als Prinzessin verwöhnt oder als Müllsammler, als übermütiger Sportler oder im Steinbruch arbeitend, ein Lamm als Symbol der Natur beschützend oder mit einer Kalaschnikow im Arm eines Soldatenkindes den Tod im Visier.
©Susanne Auslender
Den Blumenstillleben verleiht Susanne Auslender mit Durchbrüchen eine unerwartete Leichtigkeit. Trotz des massiven Materials erscheinen die Blumen fragil, zumal Knospen und Blüten in haptischer Fülle naturalistisch strahlen und die Kompaktheit der Gefäße und Sockel, ebenfalls aus Holz, im Kontrast zu den Pflanzen spannende Effekte erzeugt.
Zur Ausstellung ist über die Malerei von Reinhard Stangl der Katalog „alles in allem“ erschienen. Zu sehen ist die Ausstellung vom 28.11.2022 bis 07.01.2023.