©Michaela Schabel
Gelb und Blau leuchtet das Münter Haus durch das Grün der Bäume. Immer noch hat man vom Haus zur Ortsmitte mit Schlossmuseum und Kirche vis-a-vis einen weiten Blick und umgekehrt vom Münters Grabstein auf das Haus. Nach Süden…
Richtung Alpenpanorama versperren inzwischen große Bäume die Ansicht. Als Gabriele Münter das Haus 1909 infolge einer Erbschaft kaufen konnte, mit Wassily Kandinsky einzog und bis zum Kriegsausbruch hier lebte, war hier nur eine große Wiese. Abseits vom Ort jenseits des Bahndamms, lebten sie im „Russenhaus“, wie die Bevölkerung es nannte. Der Kontakt beschränkte sich auf Naturalienaustausch. Kandinsky legte einen symmetrischen Gemüsegarten an, heute ein Blumenareal, ansonsten stand die Kunst im Mittelpunkt. Inspiriert von den bunten Häusern im Ort, den Lichtstimmungen über der Landschaft entlang des Alpenpanoramas entwickelten Münter und Kandinsky zusammen mit den Freunden im Umfeld Franz Marc, Alexej von Jawlensky, Marianne von Werefkin, August Macke und Arnold Schönberg den Expressionismus und den ersten Almanach. Den Namen „Der Blaue Reiter“, oft auf die Künstlergruppe übertragen, erfanden sie am Kaffeetisch. „Beide liebten wir Blau, Marc – Pferde, ich – Reiter. So kam der Name von selbst“, so Kandinsky.
Inspiriert von den Lichtstimmungen verstand Münter „immer mehr die Klarheit und die Einfachheit dieser Welt, und besonders bei Föhn standen die Berge als kräftiger Abschluss in Schwarz-Weiß im Bilde, was ich am meisten liebte.“

„Gegen Abend“, Gabriele Münter, 1909@Schloßmuseum Murnau
Man verwendete flüssigere und leuchtende Farben, malte perspektivlos in die Fläche, reduzierte die Formen und konturierte mit schwarzen Linien. Kunst und Natur wurden eins. Kandinsky und Münter verwandelten Murnauer Stadtansichten in pulsierende Farbflächen, durchsonnt wie im Süden oder flammend bei Föhn. Kandinskys bewusst gemalter schiefer Kirchturm leitete die Wende zur Abstrahierung ein.
Nicht nur auf der Leinwand wurde gemalt. Kandinsky verewigte sich im ganzen Haus, verschönerte Treppengeländer, Möbel mit russischer folkloristischer Schablonenmalerei und Münters Toilettentisch mit seinem ganz spezifischen Reitermotiv.

©Michaela Schabel
Die Liebesgeschichte endete tragisch 1914. Kandinsky verließ Münter und kehrte nicht mehr zurück. Münter lebte ab 1931 mit ihrem späteren Lebensgefährten, dem Kunsthistoriker Johannes Eichner bis zu ihrem Tod 1962 in diesem Haus, wo sie 80 Bilder von Kandinsky vor den Nationalsozialisten und später vor den Amerikanern retten konnte, die sie an ihrem 80. Geburtstag der Städtischen Galerie im Lenbachhaus schenkte, wodurch dieses Museum plötzlich internationale Bedeutung gewann.
Das Gabriele Münter Haus wurde nach der Renovierung 1998/99 als Museum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die kleinformatigen Bilder und Fotografien strahlen eine bürgerliche Harmonie aus, die Münter mit Kandinsky langfristig nicht realisieren konnte. Einst als „Russenhaus“ ausgegrenzt, ist das Münter Haus jetzt das touristische Kunst-Highlight in Murnau.