"Kultur macht glücklich"


Regensburg – „Eine Winterreise“ – ein Tanzabend von Wagner Moreira nach Franz Schuberts „Winterreise“ und der komponierten Interpretation von Hans Zender 

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Regensburg – „Eine Winterreise“ – ein Tanzabend von Wagner Moreira nach Franz Schuberts „Winterreise“ und der komponierten Interpretation von Hans Zender 

©Theater Regensburg, Foto: Marie Liebig

Wie bringt man ein ehrwürdiges Kulturgut wie Franz Schuberts (1797-1828) berühmten 24-teiligen Liedzyklus „Winterreise“ (1827) so auf die Bühne, dass sich Menschen von heute dafür interessieren? Wagner Moreira wählt…

statt Klavierbegleitung die orchestrale, sehr moderne Interpretation Version von Hans Zender (1993) und kreiert einen rasanten Tanzabend, in dem vier Tänzer und sechs Tänzerinnen die Sehnsüchte und Lebenserfahrungen eines romantisch veranlagten Mannes choreografisch sichtbar machen, der von der Liebe enttäuscht an der Einsamkeit des Lebens verzagt.

Der Einstieg macht neugierig. Langsam öffnet sich der Vorhang. In einem rot ausgeleuchteten fahrbaren Waggon räkeln sich junge Menschen, ein voyeuristisch einsehbarer Ort der Erotik wie ein Fenster mit Blick auf einen lieb gewonnenen Sehnsuchtsort des Sängers. Doch die Liebste hat ihn schon verlassen. „Nun ist die Welt so trübe“ und seine Phantasien werden zum Gefängnis seiner Pein. Die Waggons teilen sich, zerstückeln den Lebensweg, formieren sich immer wieder neu, verschmelzen zu einer Halfpipe, auf der in plakativen Lettern „Traum“ und „Freud“, markante Wörter der „Winterreise“, im Bewusstsein bleiben. Gleichzeitig ist die Rampe ein Bollwerk, das die TänzerInnen im Lauf erklimmen, um nur allzu schnell wieder hinab zu rutschen als Symbol für das Auf und Ab im Leben als absurdes Sisyphos-Unternehmen, das die Choreografie durchzieht. 

Im Zentrum steht Tenor Richard Resch. Anfangs noch etwas überflutet vom Orchester kristallisiert er seinen Part immer stärker heraus, technisch durch Mikrophon verstärkt und optisch zuweilen durch ein Megaphon sein Leid expressiv verstärkend. Er schafft die Balance von klarem Gesang, Schauspiel und Bewegung. Extrem flexibel reagiert er auf die schnellen Tempi und Tonartwechsel, die Zenders moderne Komposition fordert.

Von Choreograf Moreira über dominante Postionen in die Choreografie integriert verwandeln sich die TänzerInnen in emotionale Alter Egos des Sängers. Sie spurten, rollen, tanzen und hechten artistisch über die Bühne, springen hoch und fallen tief, stehen Kopf und rotieren am Boden, agieren solistisch, zu zweit gegen- und miteinander, formieren sich zu Skulpturen, mit dem Helden der Winterreise symbolisch obenauf, der immer wieder hinunterrutscht in die Niederungen der Realität. Sie kreisen wie Rapper am Boden, finden und trennen sich und spannen den Bogen extrem konträren Lebensstationen zwischen Liebe und Einsamkeit, Freude und Trauer, Aufbruch und Ende, Traum und Realität, unterstützt durch eine exzellente Lichtregie und die Optik der Kostüme, vorwiegend in Schwarz-Weiß, verstärkt durch Schattenspiele, immer wieder vom Rot der Leidenschaft durchbrochen und reduziert in Nude-Optik Richtung Tod. 

Unter der musikalischen Leitung von Tom Woods gelingt ein perfektes Timing. Er lotet Enharmonien von Hans Zenders Komposition (1993) maximal aus. Schräg und schrill schmettern die Trompeten. Trommeln verkünden Unheil. Dissonanzen überlagern zarte Gefühle. 

Schuberts empfindsame Winterreise mutiert in ein skurriles Spektakel in Wiederholungsschleifen. Das ist konzeptionell konsequent durchdacht, spiegelt Zeitgeist und wird durch Standing Ovations honoriert, aber von der Innigkeit des Originals bleibt nicht viel übrig. 

Künstlerisches Team: Tom Woods (Musikalische Leitung, Wagner Moreira (Inszenierung), Wagner Moreira, Tanzcompany (Choreografie(, Kristopher Kempf (Ausstattung), Wagner Moreira,Maximilian Rudolph (Licht, Sascha Pieper (Dramaturgie)

Mit: Richard Resch (Gesang) Vittoria Carpegna, Gülsün Buse Cingöz, Lily Gentile, Soleil Jean-Marain, Davi Lopes, Bronte Mayo, Win McCain, Reina, Tokutake, Leander Veizi, Vincent Wodrich, Chih-Yuan Yang (Tanz) und dem Philharmonischen Orchester Regensburg