Berlin – Tschaikowskys Märchenballett „Dornröschen“ in der Choreographie von Marcia Haydée

Ballettkritik "Dornröschen" Staatsballett Berlin präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Staatsballett Berlin, Yan Revazov

„Dornröschen“ ist das aufwändigste Erzählballett seit Jahren und im Berliner Staatsballett können gleich drei Tänzer die Carabosse tanzen Arshak Ghalumyan, Dinu Tamazlacaru und Alexei Orlenco, letzterer gab Carabosse in der besuchten Aufführung eine magisch androgyne Aura, die weit über das Märchen hinaus, die Existenz des Bösen in der Welt schlechthin hinterfragt.

Schon vor Beginn überrascht Carabosse als Riesenbild ganz in Rot ge- und verhüllt auf dem schwarzen Bühnenvorhang und jedes Mal, wenn er auf der Bühne auftaucht, staunt man über seinen gebieterischen Tanz, seine wuchtigen Sprünge und die Eleganz, mit der er riesige Stoffmassen hin- und herbewegt, darin verschwindet, von seinen eigenen Begleitern, schwarz schimmernden Tänzern mit akrobatischen Akzenten, gefesselt wird, sich wieder befreit, und auch im größten Happyend hinter den Kulissen weiter existiert.

Tschaikowskys „Dornröschen“-Partitur, 1888 in Auftrag gegeben, gilt als die beste aller seiner Ballettmusiken. Überaus einfühlsam ging er beim Komponieren auf die dezidierten Anforderungen von Ballettmeister und Choreograf Marius Petipa ein. „Dornröschen“ wurde zur „Enzyklopädie des gesamten Ballettschaffens“. Marcia Haydée voller Respekt für die Tradition, wagt trotzdem innovative Änderungen. Den vier Prinzen, die aus aller Welt kommen, um „Dornröschen“ zu umwerben, gibt sie Raum ihren Status durch tänzerisches Können auszurücken. Das Rosen-Adagio wird zum trefflichen Konkurrenzkampf sehr von sich selbst überzeugter Freier, die trotz der vorgegebenen tänzerischen Formen den vier Prinzen individuelle Züge verleihen. Das gilt auch für die sechs Feen, jede in einer anderen Pastellfarbe,eine entzückender als die andere und jede mit besonderen tänzerischen Akzenten.

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©Staatsballet Berlin, Yan Revazov

Die narrativ bedeutsamere Partie der Fliederfee und ganz besonders Carabosses steigert sich in Tschaikowskys Tanz Nr. 17, dem „Panorama“ zur großen theatralischen Szene. Carabosse eilt vor dem Bühnenvorhang von einer Seite zur anderen tänzerisch eilend den Vorhang lüftend, um zu zeigen, wie Prinzessin Aurora zwischen den Blicken der guten und der bösen Fee zu einem wunderschönen Mädchen heranwächst.

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©Staatsballet Berlin, Yan Revazov

Allein der dritte Akt gerät durch das übliche Ritual im klassischen Ballett dem königlichen Paar tänzerisch die Referenz zu erweisen etwas zu lang, auch wenn in immer neuen Variationen von Sprungpartien und Spitzentanzspassagen durch den individuellen Charme der hochprofessionellen Tänzer und Tänzerinnen immer wieder charmante Akzente aufleuchten.

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©Staatsballet Berlin, Yan Revazov

Genau das ist die große Leistung Marcia Haydées, die mehr aus der Perspektive der Tänzerin als der Choreographin ihre Ballette konzipiert.

Künstlerisches Team: Marcia Haydée (Choreographie und Inszenierung nach Marius Petipa), Jordi Roig (Bühne, Kostüme), Jacopo Pantani (Licht), Enrique Conde (Assistent bei Bühne, Kostümen), Paul Connelly (Musikalische Leitung)

Es tanzen Ksenia Ovsyanick (Prinzessin Aurora), Dinu Tamazlacaru (Prinz Desiré) Alexei Orlenco (Carabosse), Krasina Paylova (Fliederfee), Yevgeniy Khissamutdinov (König), Martina Böckmann (Königin), Eoin Robinson (Catalabutte)

Es spielt das Orchester der Deutschen Oper.