"Kultur macht glücklich"


Sebastian Meises „Große Freiheit“ – ein Film über die Kriminalisierung von Homosexuellen

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In Super-8-Format werden die Homosexuellen beim Betreten der öffentlichen WCs gefilmt. Sex von auf einer Toilette genügte unter Hitler, um Homosexuelle für zwei Jahre hinter Gitter zu bringen und für immer zu stigmatisieren. Mit wenigen Dialogen, aber langen Filmeinstellungen, intensiven Blickkontakten führt der Film „Große Freiheit“ den bedrückenden Lebensalltag zwischen Einzelzelle, Niederknüppeln auf dem Gefängnishof bei kleinsten Verhaltensauffälligkeiten und Dunkelhaft vor Augen. Das ändert sich auch nicht, als das Gefängnis  von der amerikanischen Besatzungsmacht übernommen wird. § 175 gilt auch in den USA. Statt rosa Bettwäsche zu nähen, eine der wenigen ironischen Stellen im Drehbuch, werden jetzt die Hakenkreuzembleme aus den Uniformen geschnitten und die Jacken umgearbeitet. Später nähen die Gefangenen weiße Laken oder weißeln desaströse Räumlichkeiten. 

Das Drehbuch kreist um Hans, einen Homosexuellen aus der sozialen Unterschicht mit wenig Sprachkompetenz, eine Paraderolle für Franz Rogowski, ein immer schüchtern tapsiger, ungewöhnlich liebenswürdiger, mitunter kindlich aufbrausender Schauspieler. Mit ihm wird Hans von Anfang an zu einem Menschen in Not, zu einem Opfer und Sympathieträger.

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Arglos lebt er seine Natur aus, schicksalsergeben fügt er sich in das Gefängnisleben ein, explodiert aber sofort, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt. Hans´ Gedanke nach der Haft  mit seiner Liebe in die DDR zu gehen, zeigt seine grenzenlose Naivität. Auch dort galt § 175. Seine homoerotische Beziehungen führen zu immer neuen Haftverlängerungen. Als sein Kumpel Oskar nach 20 Jahren entlassen wird, sitzt Hans schon wieder ein. Oskar kommt  zurück.

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Rogowski mit dem Stapel Anstaltskleidung und seinem Blechnapf die eiserne Gefängnistreppe hinaufgehend wird zum Leitmotiv des Films genauso wie die Nächte nackt in der Dunkelzelle. Grau die Projektionsfläche hört man nur Weinen und Wimmern und zuweilen das Zirpen einer Grille in Freiheit. 

Der Tristesse und Rohheit des Gefängnisalltags stellt Sebastian Meise ästhetische Bilder im Feuerschein eines Streichholzes entgegen. Dann wirkt Rogowskis Gesicht und Körper trotz der Torturen wohlgeformt, eine subtile Methode auf seine Unschuld zu verweisen genauso wie der melancholisch jazzige Soundtrack.

Als Hans nach der Abschaffung des § 175 endlich aus der Haft entlassen wird, will die Integration in der „Großen Freiheit“ nicht so recht klappen. Er ist zwar jetzt legal, aber an den Vorurteilen gegen „Schwuchteln“ hat sich nichts geändert. Die roten Lettern der Leuchtreklame eines Homo-Clubs, als Filmtitel erst im Finale eingeblendet, bietet Sex. Hans sucht aber nach Liebe.

„Große Liebe“ ist ein wichtiger Film, weil er die Diskriminierung und unverantwortliche Kriminalisierung von Homosexuellen in der Demokratie, wenn auch fiktiv, doch vor historischem Hintergrund sehr authentisch dargestellt wird. Wie hier menschliche Gefühle einfach niedergeknüppelt werden, Homosexuelle weggesperrt,  in den Selbstmord  getrieben werden, widerspricht jeglichem demokratischen Verständnis. 

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Künstlerisches Team: Sebastian Meise (Regie Drehbuch), Thomas Reiher (Drehbuch)

In den Hauptrollen spielen Sebastian Rogowski (Hans), Georg Hans (Viktor), Anton von Luca (Leo), Thomas Prenn (Oskar)